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Lohn der Angst

Lohn der Angst

Titel: Lohn der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Arnaud
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Flammen steht. Siebenmal hat dir Rita Hayworth deinen Wunsch erfüllt, und du hast immer noch Lust, von neuem zu beginnen; es gibt keine unbekannten oder zweifelhaften Etymologien mehr für dich, und du darfst dem englischen König die Hand schütteln. Allerdings, sobald du erwachst, ist alles aus.
    So ist das Marihuana, das man, zu Zigaretten verarbeitet, in allen Häfen Lateinamerikas zu schwindelhaften Preisen kaufen kann.
    Heute hatten sich die Raucher im Corsario für ihre gemeinsame Sitzung einen Stierkampf ausgewählt.
    Das Rauschgift gab ihnen diese merkwürdigen Stimmen, ließ sie schwer atmen und jene unerwarteten Schreie ausstoßen. Auf dem runden Tisch, dessen Platte nicht aus Marmor, sondern aus Zement war, hatte das Marihuana für sie Karren voll Sand ausgeleert, den schönen gelben Sand der Arena.
    Es hatte für sie die vertrauten Gegenstände, die auf dem Tisch standen, genötigt, ihre Gestalt zu wechseln; es hatte sie in jene farbenschimmernde Menge verwandelt, die sich an Festtagen für einige Stunden in der Arena zusammenfindet. Aschenbecher, Untertassen, Gläser, leere Coca-Cola-Flaschen, eine Literflasche Rum, die zur Hälfte geleert war, hatten das Aussehen von flinken Banderilleros, von prächtigen Picadores angenommen: unentbehrliche Komparsen bei der Tötung des Stieres. Mehr noch, Manolete in Person trat auf. Manolete, obwohl er sich vor zwei Jahren von seinem hundertachten Stier hatte töten lassen. Manolete, das Idol der Aficionados. *
    Für die Raucher fand dieser Stierkampf wirklich statt – selbst wenn manchmal einer von ihnen mit hastiger Bewegung ein Glas verschob und damit der Handlung neuen Auftrieb gab –, aber dem unbeteiligten Zuschauer mußte das Erkünstelte des Vorganges auf die Nerven gehen. Der Wirt des Corsario, ein bleicher schwammiger Europäer namens Roberto Hernandez, verdrießlich und beinahe wütend, betrachtete sie mit erheuchelter Ruhe. Er nahm das Gläsertuch, wischte sich den Schweiß vom Gesicht und knurrte vor sich hin:
    »Verfluchte Sippschaft!«
    Nicht zu Unrecht... Zwei von ihnen waren Indios, klein, nervös, mager. Ihre borstigen, schwarzen Haare glänzten von Fett; aber der Haarwuchs des älteren war nur noch spärlich, und wenn man genauer hinsah, war das eine Art von Haarausfall, der selbst die Kopfhaut angegriffen hatte. Alle beide trugen gewaltige gewichste Schnurrbärte.
    Der dritte war ein Weißer und schien sechzig Jahre alt zu sein. Er war dürr wie ein Skelett. Die Runzeln in seinem Gesicht bildeten dicke schmutzige Falten; seine Haare waren weiß, seine Hände zitterten; von Zeit zu Zeit lief ein krampfartiges Zucken wie eine Welle durch seinen Körper. Seine Augen, farblos wie bei Männern, die viel zur See gefahren sind, lagen tief unter den Bogen der Augenbrauen; aber er hatte so eingefallene Wangen, daß sie über den Backenknochen wie Knöpfe auf der Haut lagen. Er wurde von einem Tätigkeitsdrang geplagt, der sich so überstürzt äußerte, daß es schien, als habe seine Ungeduld schwerwiegende Gründe. Das ging wie im Viervierteltakt: er hustete, lachte, sprach fünf oder sechs Worte, schwieg, die Gesichtszüge völlig entspannt, wie tot.
    Dann fing er wieder von vorne an. Das Ganze dauerte kaum eine Minute.
    Die drei Männer beugten sich plötzlich tief über den Tisch. Jacques, der Europäer, brummte los:
    »Eso no es corrida sinó carniceria, das ist kein Stierkampf, das ist eine Metzgerei.«
    »Anda, toro! Que brava, que ruda la bestia!«
    Für die drei war Manolete jetzt zweifelsohne dabei, den Stier auf diesem Tisch zu töten; zweifelsohne saßen zehntausend begeisterte Zuschauer auf den beiden leeren Stühlen neben ihnen. Aber der Wirt fand sie von Minute zu Minute unerträglicher. Nur die gleichsam berufliche Nachsicht der Mädchen blieb ihnen erhalten.
    Hinter dem Schanktisch hatte auch die Frau des Wirtes ihren Platz. Sie saß kerzengerade hinter der Registrierkasse, die ganz neu war, lauter Nickel und Ziffernscheiben. Trotz ihrer dreißig Jahre war die Frau verblüht und aufgeschwemmt. Sie betrachtete stolz den Nickelkasten, das Zeichen ihres Wohlstandes.
    Zwischen ihr und ihrem Mann war ein Indiomädchen damit beschäftigt, das Geschirr der vergangenen Nacht abzuwaschen.
    Ein Gast kam herein. Er hatte eine graue Leinenuniform an und sah aus wie ein Schuhputzer, der keine Zeit gehabt hatte, seine eigenen Schuhe zu wichsen. Eine Pistolentasche hing an einem ledernen Schulterriemen, seine Ärmel zeigten eine stattliche Anzahl von

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