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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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ausgesucht und bereue meine Entscheidung nicht.
     In Zeiten von globalen Krisen ist dies ein krisensicherer Job.«
    »Ja, das hat was. Doch was ist mit Auslandseinsätzen? Afghanistan?«
    Sie schnaubte. »Auslandseinsätze gehören dazu. Erhöhtes Berufsrisiko, aber das habe ich vorher gewusst.«
    »Erhöhtes Berufsrisiko.« Ich dachte an Martin und seine Meinung zu meiner Gutachtertätigkeit. Er war strikt dagegen, hatte
     nie verstanden, dass ich mich mit Schwerverbrechern befasste. Ich fuhr mit meinem Finger über die dünne Narbe an meinem Hals.
     Anfang letzten Jahres hatte mich ein von Testosteronen strotzender Gefangener für kurze Zeit in der Gewalt gehabt und verletzt.
     Letztendlich war das normale Leben gefährlicher, dachte ich und sah zu meinem Auto.
    »Was ist nun mit dem Röntgen?«, fragte mich Kappl. »Sollen wir Sie mitnehmen nach Adenau ins Krankenhaus?«
    Ich überlegte kurz, entschied mich aber dann dagegen. »Das wird nicht nötig sein. Ich habe eine leichte Gehirnerschütterung,
     weiter nichts.«
    »Wissen Sie, was ein epidurales Hämatom ist?«
    |239| »Ja, eine Ansammlung von Blut im Epiduralraum. Aber meine Klinik ist unauffällig.« Ich schaute auf meine Uhr. »Seit dem Unfall
     ist über eine Stunde vergangen. Keine weiteren Bewusstseinsstörungen, keine Schwindel oder Übelkeit. Schauen Sie in meine
     Augen. Abnormale Pupillenerweiterung?«
    Sie sah mich aufmerksam an, schüttelte dann den Kopf. »Aber die Störungen können unter Umständen noch nach Stunden auftreten.
     Wo wollen Sie hin?«
    »Nur über den Berg, dort oben zu einem Kinderheim.«
    »Sie sind alleine, es ist nicht viel los in der Gegend. Ich rate Ihnen, mit uns zum Krankenhaus zu kommen.«
    »Dort oben wartet der Hausmeister auf mich, und ich werde meine Kollegen anrufen. Falls ich mich schlechter fühle, befolge
     ich sofort Ihren Rat, aber ich glaube nicht daran. Eine Fraktur ist nicht tastbar.«
    »Haarrisse sind nicht tastbar. Sie sind vom Fach, oder? Krankenschwester?«
    Ich lachte. »Ich bin Ärztin.«
    »Auch das noch.« Kappl seufzte. »Es gibt nichts Schlimmeres als beratungsresistente Ärzte, die selbst einen Arzt brauchen.
     Da ist jedes weitere Wort für die Katz.« Sie stand wieder auf, streckte sich. »Sei’s drum, ich muss meinem Chef melden, dass
     wir uns verspäten werden.« Grummelnd zog sie das Handy aus der Beintasche, ging ein paar Schritte und telefonierte.
    HG Huhn trat auf mich zu, wischte sich die Hände an der Hose ab. »Das Rad ist ausgewechselt. Die Reifenreste und die kaputte
     Felge habe ich in Ihren Kofferraum gelegt.« Er kratzte sich am Kopf. »Das Reserverad sieht auch nicht wirklich gut aus. Weit
     sollten Sie damit nicht fahren. Am besten nur bis zur nächsten Werkstatt. Und bitte nicht zu schnell. Eine rasante Fahrt durch
     die Serpentinen könnte beim nächsten Mal weniger glimpflich enden.«
    »Ich werde mich in Acht nehmen«, versprach ich. »Es war großes Glück für mich, dass Sie in der Nähe waren. Wo kommen Sie eigentlich
     her? Sind Sie hier stationiert?«
    |240| »Eigentlich kommen wir aus Rennerod im Westerwald, Sanitätsregiment 21. Wir sind zu einer übenden Truppe als SanBegleitung abgestellt und liegen im Wald oberhalb von Aremberg im Biwak«, erklärte Kappl.
    »Im Biwak? Was ist das und was üben Ihre Kollegen denn dort? Angriff auf Kuhherden?«
    Kappl lachte. »Es sind Kameraden, nicht Kollegen. Ein Biwak ist nichts anderes als ein Zeltlager. Geübt wird das Leben im
     Feld, tarnen, täuschen, Stellungsbau und orientieren. Was Soldaten halt so können müssen.«
    »Pfadfinder für Große?« Ich grinste. »Na, ich will Sie nicht länger aufhalten.«
    Oberfeldwebel Kappl hielt meine Hand etwas länger fest als notwendig. »Mir ist immer noch nicht ganz wohl bei dem Gedanken,
     Sie alleine weiterfahren zu lassen.«
    »Ich denke, ich kann das ganz gut beurteilen, schätze aber Ihre Anteilnahme. Wie wäre es, wenn Sie mir Ihre dienstliche Adresse
     und Ihre Einheit aufschreiben, dann kann ich mich bei Ihnen melden.«
    »Okay.«
    Ich setzte mich in den Golf, Charlie legte sich wieder in den Fußraum. Für einen Moment holte ich tief Luft, meine Hände zitterten
     leicht. Aber wenn man von einem Pferd abgeworfen wurde, war das Beste, um die Angst zu überwinden, sich sofort wieder auf
     das Tier zu setzen, sagte ich mir und startete den Wagen. Vorsichtig fuhr ich aus dem Waldweg heraus. Ein dunkler Wagen kam
     langsam um die Kurve, stoppte, blinkte und bog neben mir auf

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