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Lohn des Todes

Titel: Lohn des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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… überfallen.«
    »Ihre Hündin ist heiß.«
    »Ja und? Sie haben offensichtlich Ihren Hund nicht im Griff. Wie können Sie ihn laufen lassen?«
    Ich lachte auf. In diesem Moment klatschten die ersten dicken Tropfen herunter. Es prasselte in den Bäumen. Wir waren weit
     unten, fast schon am See, der Rückweg ging steil bergauf, ich würde fast eine Stunde bis nach Hause brauchen.
    »Komm, Charlie!« Ich lief los.
    Als ich zu Hause ankam, war ich bis auf die Knochen durchnässt und zitterte jämmerlich. Charlie schüttelte sich in der Diele
     ein paar Mal und legte sich dann auf seine Decke vor dem Kamin. Neidvoll sah ich ihm zu, während ich mich aus meinen nassen
     Kleidern schälte. Ich ließ die nassen Sachen im Flur liegen und rannte die Treppe hoch, stellte mich unter die Dusche. Das
     heiße Wasser prasselte auf mich nieder, während der Regen auf das Dach trommelte. Der Duschstrahl massierte |215| meinen Nacken und die Schultern. Nach einer Weile stellte ich die Dusche ab und rubbelte mich trocken. Meine Beine schmerzten,
     ich fühlte mich erschöpft. Niemand trieb mich an, niemand wartete auf mich. Im Schlafzimmer lockte das Bett. Ich kuschelte
     mich unter die Decke, rollte mich zusammen. Vor den Fenstern zuckten Blitze, zerteilten den düsteren Himmel.
    Das laute Krachen eines Donners weckte mich. Ich streckte mich aus, fühlte mich erholt. Meine Beine taten weh, aber nach dem
     Lauf durch den kalten Regen durften sie es. Das Gewitter stand direkt über dem Haus, Blitz und Donner wechselten sich ohne
     Pause ab. Dann zog es langsam weiter, verebbte. Ich hörte der Entladung zu, lauschte dem Regen, der erst noch stürmisch, dann
     immer gemächlicher fiel. Charlie lag vor meinem Bett, zuckte wild im Schlaf. Er träumt sicher von der Hundedame, dachte ich
     und grinste. Leute gab es, unglaublich. Ich war froh, dass er nur einer läufigen Hündin gefolgt und ihm nichts weiter passiert
     war.
    Inzwischen war es fast Abend. Ich hatte noch nicht viel gegessen, mein Magen knurrte. Ich ging in die Küche, machte mir ein
     Omelette mit Pilzen und viel Grana. Dann fachte ich den Ofen wieder an, setzte mich vor das Feuer und aß. Mein Handy zeigte
     keinen Anruf in Abwesenheit und lag stumm neben mir.
    Ich versuchte, nicht an Martin zu denken, es führte zu nichts. Vermutlich musste dieser Fall erst gelöst werden, bevor wir
     uns mit unseren persönlichen Problemen beschäftigen konnten.
    Nach einer Weile nahm ich mir die Akte wieder hervor und las weiter. Sonja hatte an Ängsten gelitten. Verlustängste. Was fürchtete
     sie denn so sehr? Sie war, wenn alle Angaben richtig waren und der Standesbeamte nur geschludert hatte, in eine intakte und
     besorgte Familie geboren worden. Sie war ein Einzelkind. Manchmal klammerten Mütter sehr, vor allem nach langer Kinderlosigkeit.
     Sonja war 1986 geboren. Sie konnte durchaus einer künstlichen Befruchtung entstammen. Seit |216| 1983 wurden In-vitro-Befruchtungen in Deutschland durchgeführt. Aber das hätte in die Anamnese gehört. Wieder Schlampigkeit
     oder ein Irrgedanke? Ich rief Jutta an.
    »Jutta, ich habe hier den Bericht über Sonja Kluge.«
    »Gibt es etwas Neues? Ich muss ständig daran denken und finde es sehr spannend. Es lässt mich gar nicht mehr los.«
    »Nur, dass es sich hier nicht um CSI Eifel handelt, sondern um reale Mordfälle, Fälle, bei denen die Opfer grausam gelitten
     haben.« Ich seufzte leise. »Du hast den Bericht nicht mehr präsent, das weiß ich, aber vielleicht kannst du mir trotzdem helfen?«
    »Ich habe mir Etliches kopiert, aus Neugierde. Und auch schon darin gelesen. Was willst du wissen?« Sie lachte leise.
    »Hast du die Geburtsurkunde gesehen?« Ich hielt den Atem an.
    »Ja.«
    »Es ist nur die Mutter eingetragen.«
    »Ach, das passiert öfter. Hektik, Unterbesetzung im Amt, Ferien, Krankheitslage. Das hat nichts zu bedeuten. Weshalb hat dich
     das stutzig gemacht?«
    »Verdammt.« Ich schluckte, verzog das Gesicht. »Ich dachte, wenn Rainer Kluge nicht eingetragen worden ist, wäre er vielleicht
     nicht der leibliche Vater.«
    »Das ist ein Scherz, oder?«
    »Nein, nur ein flüchtiger Gedanke.«
    »Vergiss es. Das stünde sicher in der Akte. Das wird hinterfragt.«
    »Wirklich?«
    »Ganz sicher, das gehört zu den ersten Fragen.«
    »Und wenn sie gelogen hätten?« Ich kaute nachdenklich auf meiner Lippe.
    »Das können wir natürlich nicht bis auf das Letzte überprüfen. Aber falsch ausgestellte Urkunden gibt es immer mal

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