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Lohse, Eckart

Lohse, Eckart

Titel: Lohse, Eckart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guttenberg Biographie
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Fall sogar befürchten, dass Klein ins Gefängnis käme. Welche Auswirkungen
das für die Fortführung des Bundeswehreinsatzes hätte, war leicht auszumalen:
Die deutschen militärischen Führer in Afghanistan würden zutiefst verunsichert,
wenn einer der ihren, der seine Truppe und sich schützen wollte, im Gefängnis
landete. Schneiderhans Entscheidung, den Feldjägerbericht unter der Decke zu
halten, war hochpolitisch. Er wusste sich dabei im Einklang mit der Truppe.
Auch andere führende Militärs sagten später, das Ziel sei es von Anfang an gewesen,
Klein zu schützen. Als dieser Anfang des Jahres 2010 eine Art
Ehrengast beim Jahrestreffen des Bundeswehrverbandes südlich von Berlin ist,
scharen sich seine Kameraden geradezu demonstrativ um ihn.
    Für Schneiderhan ist es kein
Problem, Jung den Bericht nicht auf den Schreibtisch zu legen. Erst Anfang
Oktober, knapp vier Wochen nach seinem Entstehen, setzt der General den
Minister überhaupt davon in Kenntnis, dass es einen entsprechenden Bericht
gibt. Doch beruhigt er ihn zugleich, indem er sagt, dieser fließe in die
Untersuchung der Nato ein. Für Jung ist die Sache damit erledigt, eine weitere
Beschäftigung mit dem Papier nicht erforderlich. Ende November wird es ihn
sein neues Amt als Bundesarbeitsminister kosten, dass er sich nicht einmal die
Mühe gegeben hat, den Bericht - wenn auch mit Verspätung - zu lesen.
    Schneiderhan und Wiehert waren so
sehr daran gewöhnt, am jeweiligen Verteidigungsminister vorbei schalten und walten
zu können, dass sie die Vorstellung, es könnte mal ein Minister anderen
Schlags kommen, überraschen musste. Dieser andere sitzt jetzt vor ihnen und ist
aufgewühlt. Nach etwa zehn Minuten, es ist gegen 14.30 Uhr an
jenem Mittwochnachmittag, beendet Guttenberg das Gespräch mit dem Auftrag an
die beiden, ihm umgehend alle Meldungen und Berichte zum Bombardement bei
Kundus zusammenzustellen. Doch in seinem Inneren ist er offenbar längst einen
Schritt weiter, geht es ihm nicht mehr um ein gründliches Studium der
Unterlagen, die er eingefordert hat.
    Dennoch sind diese auf dem Weg zu
seinem Schreibtisch. »Relativ kurz nach dem Gespräch«, so die Darstellung Guttenbergs,
bringt der Adjutant des Generalinspekteurs schon einmal den Feldjägerbericht
ins Ministerbüro. Guttenbergs Adjutant spricht später von einer halben,
»maximal« einer Stunde. Der Zeitablauf ist deswegen im Detail wichtig, weil bis 17 Uhr noch viel passieren wird. Frühestens um 15 Uhr hat
der Minister also die Möglichkeit, den Feldjägerbericht zu lesen. Er umfasst
acht eng beschriebene Seiten. Selbst wenn Guttenberg ihn nur überfliegt, muss
es darüber etwa 15.20 oder 15.30 Uhr
werden. Eine ernsthafte Form der Auseinandersetzung mit dem Text, der ihm ja
bis dahin nicht bekannt ist, dessen Brisanz er aber erahnt, ist in wesentlich
kürzerer Zeit nicht denkbar.
    Guttenberg ist empört. Er schildert
seinen Gemütszustand später mit folgenden Worten: »Der Verlauf des Gesprächs
und die Tatsache, dass mir erst auf mehrfache Nachfrage die Existenz des
Feldjägerberichts sowie anderer einschlägiger Berichte bekanntgemacht wurde,
hat mein Vertrauen in Staatssekretär Dr. Wiehert und General Schneiderhan
erschüttert.« Die vom Einsatzführungsstab gegebene Warnung, der Bericht dürfe
nicht in falsche Hände geraten, weil er Klein sonst schaden könnte, habe seine,
Guttenbergs, Verunsicherung noch vergrößert. Er sieht die Schuldfrage
eindeutig beantwortet. Nicht er hatte seiner Ansicht nach die Aufgabe (vor
allem vor seiner öffentlichen Festlegung), alle wesentlichen vorhandenen
Materialien einzufordern. Vielmehr hätten seine Mitarbeiter und Berater sie ihm
vorlegen müssen: »Wer eigentlich hatte hier eine Bringschuld? Doch sicherlich
nicht der Minister.«
     
    Rausschmiss im
Ruck-zuck-Verfahren
     
    Jeder Rekrut lernt in den ersten
Tagen bei der Bundeswehr eine klare Regel für den Fall, dass er sich über einen
Vorfall beschweren möchte. Er muss mindestens eine Nacht darüber schlafen.
Guttenberg hat zwar auch gedient, aber diese Regel scheint sich ihm nicht
eingebrannt zu haben. Er kann sich höchstens eine Stunde Zeit genommen haben,
um zu entscheiden: Schneiderhan und Wiehert müssen weg. Mit der ihm eigenen
emotionalen Dynamik greift er zum Telefon und ruft sowohl den Bundespräsidenten
als auch die Bundeskanzlerin an, um ihnen seinen Entschluss mitzuteilen.
    Doch es kommt noch zu einem
weiteren Gespräch an diesem nicht eben ereignisarmen Nachmittag.

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