Lohse, Eckart
Dieses muss
wichtiger gewesen sein als diejenigen mit dem Bundespräsidenten und der
Kanzlerin. Denn Guttenberg weigert sich, den Namen seines Gesprächspartners
preiszugeben. Im Untersuchungsausschuss bohrt der SPD-Abgeordnete Hans-Peter
Bartels im April nach: »Mit wem haben Sie sich noch beraten?« Darüber müsse
und werde er keine Auskunft geben, antwortet der Gefragte. Er werde sich nicht
zu Gesprächen äußern, »wo ich das Gefühl habe, dass sie unmittelbares Regierungshandeln
bzw. Personalentscheidungen auf dieser Ebene betreffen. Das ist etwas, wo ich
auch zum Schutz jener, mit denen ich gesprochen habe, hier mich dazu nicht
äußern werde und auch nicht äußern muss«. Da beide Seiten nicht lockerlassen,
muss an jenem 22. April die Zeugenvernehmung im
öffentlichen Teil der Ausschusssitzung unterbrochen werden, um zu klären, ob
Guttenberg seinen oder seine Gesprächspartner nennen muss. Nach mehr als einer
Stunde Beratungen steht fest: Er muss nicht.
Die Weigerung des Ministers gibt
zu denken. Die Gespräche mit Merkel und Köhler erwähnt er völlig ungefragt
gleich zu Beginn seiner Einlassungen vor dem Ausschuss. Er berichtet indirekt
sogar über den Inhalt beider Gespräche, als er sagt, dass er bereits vorher die
»innere Entscheidung« getroffen habe, Schneiderhan und Wiehert zu entlassen.
Damit ist klar, dass er weder mit der Bundeskanzlerin noch mit dem
Bundespräsidenten inhaltlich darüber diskutiert hat, ob die beiden Herren
rauszuwerfen seien oder nicht. Das stand bereits fest. Wer aber könnte noch
wichtiger für »unmittelbares Regierungshandeln« sein oder noch schützenswerter?
Warum schweigt Guttenberg hier so eisern? Befürchtet er, die Nennung des
Namens könnte am Ende zu einer Zeugenvernehmung vor dem Untersuchungsausschuss
führen und für ihn unangenehm werden? Sollte er seine Entscheidung doch nicht
so allein und spontan getroffen haben, wie er es darstellt?
Der SPD-Abgeordnete Rainer Arnold
fragt im Ausschuss gezielt nach Kanzleramtsminister Ronald Pofalla. Stand Guttenberg
möglicherweise unter Druck, seine positive Bewertung des Handelns von Oberst
Klein zu korrigieren, und das Auftauchen des Feldjägerberichts war ihm bloß ein
willkommener Anlass dazu? In einem Interview mit der »Frankfurter Allgemeinen
Zeitung« im Januar 2010 weist
Guttenberg solche Mutmaßungen zurück. Auf die Frage, ob Angela Merkel ihn zu
seiner Neubewertung ermuntert habe, antwortet er: »Nein. Die Grundlage der
zweiten Bewertung ist bekannt: die Gesamtschau aller, auch neuer Dokumente,
Berichte und Meldungen. Diese Entscheidung habe ich getroffen.«
Wie auch immer der Ablauf war:
Gegen 17 Uhr an jenem 25. November
erfahren Schneiderhan und Wiehert in atmosphärisch nun wieder einigermaßen
entspannten Einzelgesprächen vom Minister, dass dieser kein Vertrauen mehr zu
ihnen habe. Zwischen dem Zustand, den Guttenberg später mit den Worten
beschreibt, es habe keinen Anlass zu irgendeinem Misstrauen gegeben, und dem
totalen Vertrauensverlust liegen nicht einmal drei Stunden. Karl-Theodor zu
Guttenberg ist nicht der Typ des stets ruhig und lange Zeit wägenden
Politikers. Er ist ein Mann schneller, gern auch spektakulärer Entscheidungen.
Nur für ein paar Stunden hat die
»Bild«-Zeitung nach ihrem Erscheinen am 26. November
mit der Schlagzeile »Die Wahrheit über den Luftangriff in Afghanistan« die
Hoheit über die Nachrichtenlage. Dann schlägt Guttenberg zurück. Gleich am
Vormittag, es ist 9.30 Uhr, tritt er im dunkelgrauen
Anzug, von dem sich die rosafarbene Krawatte modisch abhebt, vor den Bundestag
und verkündet, dass er den Generalinspekteur der Bundeswehr und einen seiner
beiden Staatssekretäre an die Luft gesetzt hat. Die »Bild«-Zeitung und der
Feldjägerbericht sind damit ins Vorprogramm gerutscht. Die eigentliche Story
dieses und der nächsten Tage erzählt Karl-Theodor zu Guttenberg unter der
imaginären Überschrift »Ein Mann räumt auf«. Er spielt die Hauptrolle, er ist
die handelnde Person.
Nicht einmal 24 Stunden
benötigt Guttenberg, um aus der vollständigen Defensive, in die
ihn eine Boulevardzeitung und ein ihm unbekanntes Stück Vergangenheit aus
seinem Ministerium gebracht haben, in die Offensive zu kommen. Eine seltene
Fähigkeit. Joschka Fischer konnte das in seinen starken Momenten, etwa als der
»Stern« - schon zu seinen Jahren als Außenminister - seine gewalttätige
Vergangenheit noch einmal reich bebildert thematisiert und Fischer daraus,
wenn auch mit etwas
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