Lohse, Eckart
Darstellung des
Untersuchungsteams von Generalmajor Sullivan und schließlich, auf die Frage Guttenbergs,
ob es »von unserer Seite vor Ort« eine Untersuchung gegeben habe, die Antwort
Schneiderhans: »Es gab einen >ungefragten Bericht< von Feldjägern.« Der
Bericht sei sehr ungünstig für Oberst Klein.
Das einzige schriftliche Dokument,
das während des Gesprächs entstand und noch erhalten ist, sorgt mithin nicht
für Klarheit. Beide Seiten können sich teilweise bestätigt fühlen. Die
Befragten haben Antworten gegeben und sie nicht verweigert. Der Minister
musste allerdings einige Nachfragearbeit leisten, bis er am Ziel war. Aber was
war eigentlich sein Ziel? Wohl kaum eine rasche und geräuschlose Antwort auf
die Frage, was es mit dem »Feldjägerbericht« auf sich habe. Die hätte er auf
direktem Wege simpler und schneller bekommen können. Auf diese Möglichkeit
angesprochen, sagt Guttenberg später fast trotzig: »Ich habe mit den beiden
Herren so gesprochen, wie ich mit ihnen gesprochen habe.«
Der neue Herr
im Haus
Guttenberg nutzt das Gespräch am 25. November -
geplant oder nicht -, um herauszufinden, ob die Gerüchte über die heimliche
oder sogar unheimliche Macht Schneiderhans und Wicherts im
Verteidigungsministerium zutreffen. Der junge Minister empfindet vier Wochen
nach seinem Amtsantritt zum ersten Mal ganz unmittelbar, dass nicht er der
starke Mann im Ministerium ist, sondern zwei andere diese Position innehaben.
Vielleicht ahnt er auch, was das für ihn bedeuten könnte. Seine drei
unmittelbaren Vorgänger, Scharping, Struck und Jung, waren gegen ihren Willen
und weitgehend ohne Vorkenntnisse auf dem Feld der Außen- und Sicherheitspolitik
in ihr Amt gekommen. Wiehert, mehr aber noch der machtbewusste Schneiderhan,
füllten jeweils das Machtvakuum. Über weite Strecken steuerten sie die
Geschäfte im Verteidigungsministerium.
Nun ist ein neuer Mann an die
Spitze des Hauses getreten. Anders als seine Vorgänger muss man ihn nicht
dorthin drängen. Er taugt nicht als Nummer zwei. Er will Chef »seines«
Ministeriums sein. Das war für Schneiderhan und Wiehert am Ende ihrer langen
und erfolgreichen Dienstzeit eine neue Erfahrung.
Jenseits von diesem grundsätzlichen
Problem ist sehr konkret der Umgang Schneiderhans mit dem Feldjägerbericht ein
Musterbeispiel für die Machtentfaltung am damaligen Minister Jung vorbei. Am 9. September 2009, fünf Tage
also nach der Bombardierung bei Kundus, wird der ohne Aufforderung vom
Feldjäger-Oberstleutnant Brenner geschriebene Bericht fertig und dem
Verteidigungsministerium in Berlin überstellt. Zwar schildert Brenner nicht in
der Sache wirklich Neues aus der Nacht vom 3. auf den 4. September.
Doch enthält sein Bericht zahlreiche sehr kritische Kommentierungen des Verhaltens
Kleins. Damit überschreitet Brenner zwar seine Kompetenzen. Doch macht das die
Ausführungen nicht weniger brisant. Schneiderhan bekommt sie allerdings erst
nach seiner Rückkehr von einer Afghanistanreise Mitte September in die Hände.
Er ist später stocksauer, am Ort des Geschehens gewesen zu sein und die
kritischen Darlegungen der eigenen Feldjäger noch nicht zu kennen.
Zurück in Berlin, erhält der
General das brisante Papier. Es landet bezeichnenderweise weder beim Minister
noch bei dem für die Auslandseinsätze zuständigen Staatssekretär Wiehert,
sondern im Einsatzführungsstab, der dem Generalinspekteur untersteht.
Schneiderhan hält es auch für nicht erforderlich, Jung oder Wiehert in Kenntnis
zu setzen. Vielmehr lässt er den Einsatzführungsstab am 16. September eine
Kurzauswertung anfertigen, die dem Feldjägerbericht vorangestellt wird. In
dieser heißt es: »Würde der Bericht ohne begleitende fachliche Kommentierung
in eine Untersuchung eingebracht werden, wären negative Implikationen nicht
auszuschließen.«
Die etwas gestelzten Worte haben
eine Bedeutung von brutaler Wucht. Schneiderhan, dessen berufliches Lebenswerk
die Umformung der Bundeswehr von einer Armee des Kalten Krieges in eine Einsatzarmee
ist, sieht eben dieses Lebenswerk in Gefahr. Sollte Brenners Bericht bekannt
werden, könnte er denjenigen in die Hände spielen, die Kleins Verhalten verurteilen.
Die bisherige Rechtfertigung des Verhaltens des Obersten durch die
Bundesregierung könnte ins Wanken geraten - damals war noch nicht klar, dass
Klein später juristisch und disziplinarisch von allen Vorwürfen freigesprochen
werden würde.
Schneiderhan musste also für den
schlimmsten
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