Lohse, Eckart
der fehlenden Gerechtigkeit bei der Belastung der
nachwachsenden männlichen Jahrgänge eines Tages über die Zukunft der
Wehrpflicht vor Gericht entschieden werden könnte. Da hält er es für besser,
rechtzeitig eine Zeit ohne Wehrpflicht zu gestalten, als dieses Hals über Kopf
nach einem Gerichtsurteil tun zu müssen.
Und der Zivildienst? Guttenberg
behauptet zwar, Sympathien für die Einführung eines Pflichtdienstes zu haben,
verwirft diese Option jedoch gleich wieder mit dem Verweis auf die
fehlende verfassungsändernde Mehrheit. Stattdessen wirbt er für die
Freiwilligkeit, wissend, dass es längst eine hohe Nachfrage unter jungen
Männern und Frauen nach einem sogenannten Sozialen oder Ökologischen Jahr
gibt. Einen solchen freiwilligen Dienst an der Gesellschaft zu fordern, verkauft
Guttenberg mühelos als »konservativen Gedanken«.
Der Minister bezeichnet es als
»höchste Zeit«, die Debatte über die Bundeswehr und die Wehrpflicht zu führen.
Manche »juxten« sie zu einer Machtfrage hoch. Doch sei er auf dem besten Wege,
mit Seehofer zu einer gemeinsamen Haltung der CSU zu kommen. Am Ende wird
beides geschehen: Es kommt zu einer einheitlichen Haltung der CSU und auch der
CDU. Und dennoch ist die Abschaffung der Wehrpflicht Teil des Machtkampfes in
der CSU zwischen Seehofer und Guttenberg.
Wie reagiert das Publikum in
Kulmbach? So wie später anderes Publikum an anderen Orten auch. Es gibt großen
Beifall für den Redner. Die Fragen in der anschließenden Diskussion bleiben
harmlos. Hinweise auf Nachwuchsprobleme thematisiert eine Frau mit Verweis auf
ihre Söhne, die Gebirgsjäger seien. Ein junger Mann will wissen, ob denn
Studienplätze bei der Bundeswehr wegfielen. Ein älterer Herr, dessen Frau in
einem Kreiswehrersatzamt tätig ist, fragt sich und den Minister, ob denn die
Bundeswehr demnächst zu 80 Prozent aus Türken bestehe. Ein Aufstand jedenfalls
sieht anders aus. Was Guttenberg hier erlebt, entspricht dem, was ihm an
anderen Orten begegnet. Sowohl in einer breiteren Öffentlichkeit als auch im
politischen Umfeld formiert sich kein ernsthafter Widerstand gegen seine
Pläne. Dieses Phänomen belegt besser als alle Zahlen und Argumente, dass er mit
sicherem Instinkt ein Thema aufgegriffen hat, das überfällig war.
Den nächsten Beleg dafür sammelt
Guttenberg zwei Tage später ebenfalls vor einem bayerischen Publikum. Nach dem
Auftritt in der Heimatregion Oberfranken begibt er sich in die Nähe von
München, in das östlich der bayerischen Landeshauptstadt gelegene Örtchen
Keferloh. Hier wird alljährlich im Spätsommer politische Top-Prominenz in ein
Bierzelt eingeladen. Einige hundert überwiegend nicht mehr ganz junge Männer
und Frauen erfreuen sich beim Bier an einer politischen Bühnenshow, die so nur
in Bayern und dort vor allem von der CSU geboten wird.
Eigentlich ist das nicht das
bevorzugte Spielfeld des promovierten Juristen, zu dem das fließende Englisch
besser passt als die Nachahmung bairischer Dialekte. Guttenberg sieht etwas
albern aus, als er mit dem ortsüblichen Strohhut auf dem gegelten Haar in das
bis zum letzten Stehplatz gefüllte Zelt spricht - und zwar das, was er schon
in Eutin, in Kulmbach oder an vielen anderen Orten der Republik gesagt hat
oder noch sagen wird zur Zukunft der Bundeswehr. Doch auch in der bierseligen
Atmosphäre dieses Montagnachmittags wird ihm seine Argumentation begeistert
und mit viel Beifall abgenommen. Im Vorjahr waren Merkel und Seehofer hier
aufgetreten. Gleichwohl wird einer der Gäste, ein Mann in seinen Sechzigern,
der als traditioneller CSU-Wähler durchgeht, am Ende von Guttenbergs Rede
zufrieden seine Maß leeren und bekunden, das sei die beste Rede in diesem Zelt
seit dem Auftritt von Franz Josef Strauß gewesen. Eine höhere Auszeichnung für
einen CSU-Politiker gibt es aus der eigenen Partei im Grunde nicht.
Auf der
Zielgeraden
Bei der Operation Bundeswehrreform
kommt Karl-Theodor zu Guttenberg nicht nur sein politischer Instinkt zugute.
Der Mann, so sagen es diejenigen, die ihn lange und gut kennen, pflegt seine
Arbeitstage minutiös zu strukturieren. Hinzu kommt eine große
Einsatzbereitschaft. Er ist kein Aktenfresser, sondern jemand, der sich viel
bewegt und überall auftritt. Im Kampf für die Aussetzung der Wehrpflicht ist er
ständig unterwegs, während der Woche wie auch am Wochenende, bereist das Land
von Norden nach Süden und von Osten nach Westen. In der Union, aber auch in der
Bundeswehr, entkommt kaum
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