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Lohse, Eckart

Lohse, Eckart

Titel: Lohse, Eckart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guttenberg Biographie
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selbstverständlich
dafür ist, jungen Männern diese Pflicht aufzuerlegen, hat der Bezirk im
Nordosten des Freistaats von einer Verkleinerung der Bundeswehr und Abschaffung
der Wehrpflicht wenig zu befürchten. Es gibt nur noch einen Bundeswehrstandort
in ganz Oberfranken. Hinzu kommt, dass Kulmbach Guttenbergs Wahlkreis ist. Hier
wäre die CSU doppelt leichtsinnig, wenn sie ihr prominentestes Mitglied
brüskieren würde.
    Der freundliche Empfang kann den
Minister also nicht überraschen. Bevor er zum Thema der Tagung kommt, gönnt der
Gast sich noch einen kleinen Schlenker. Es sind die Tage, da es eine breite öffentliche
Diskussion über die Thesen des Bundesbankvorstands und Sozialdemokraten Thilo
Sarrazin zu den Versäumnissen der Integrationspolitik gibt. Eine Woche ist es
her, da hatte Guttenberg zusammen mit der Kanzlerin, dem Bundespräsidenten und
einer Reihe von Kabinettsmitgliedern auf Sarrazin eingedroschen, hatte von
einer Grenze gesprochen, die erreicht sei. In den folgenden Tagen aber merkt
er, dass bis tief hinein in die Reihen der Union Sarrazin viel Zuspruch
erfährt. Man müsse über seine Thesen debattieren, geht er auf die Stimmung
ein. Mit einem Seitenhieb auf Forderungen, Sarrazin solle den
Bundesbankvorstand ebenso verlassen wie die SPD, sagt der Minister: »Die
Politik sollte die Diskussion mit offenem Visier aufgreifen und nicht nur
irgendwelche Ämter in Frage stellen.« Dafür gibt es den erwarteten Beifall.
Das Publikum ist nicht nachtragend und nimmt gern die neue Linie Guttenbergs
auf.
    Das ist ein hübscher kleiner Test
der Beweglichkeit seiner Zuhörer, was seinen Kurswechsel in der Wehrpflichtfrage
angeht. Denn auch vor den eigenen Leuten muss er an diesem Samstag eine
Steilkurve fahren. Er habe, beteuert er ins etwas dämmrige Licht der Kulmbacher
Stadthalle hinein, »ein sehr erfüllendes Jahr« bei der Bundeswehr gehabt vor
zwanzig Jahren. Dann hält er - frei, routiniert und in lässiger Pose hinter
dem Pult - jenen Vortrag, den er schon in Eutin gehalten hat, zwei Tage später
in einem Bierzelt in der Nähe von München halten wird, den er landauf, landab
nicht müde wird zu präsentieren, vor allem vor dem Publikum der Union, wo es zu
werben, zum Teil auch noch zu überzeugen gilt.
    Guttenberg beginnt mit einem Hieb
auf seine Vorgänger, ohne diese beim Namen zu nennen. Die Debatte über die
Wehrpflicht habe geruht, als er sein Amt übernommen habe. Schon nach wenigen
Wochen habe er jedoch gespürt, dass das »Bild von der Bundeswehr an
wesentlichen Stellen korrekturbedürftig« sei. Für den zweiten Teil seiner
Kritik fügt es sich, dass jener Samstag in Kulmbach der 4. September
ist, also der erste Jahrestag des Bombardements von Kundus. Wie habe es
passieren können, dass bei der Aufarbeitung dieser Ereignisse so viele Defizite
zutage getreten seien, fragt der Minister rhetorisch. Nur um mitzuteilen, dass
er gleich zu Beginn seiner Amtszeit eine Defizitanalyse in Auftrag gegeben
habe, was nicht überall auf Begeisterung gestoßen sei. Das Sankt-Florians-Prinzip
sei durchaus verbreitet, beschreibt er den damaligen Zustand des Ministeriums.
Die Botschaft, die mitschwingt, ist eindeutig: Ich traf auf einen
Augiasstall, als ich mein neues Amt antrat. Ausmisten war das Gebot der Stunde.
    Diese Grundbotschaft durchzieht
auch den weiteren Teil seiner Rede. Er habe eine »dramatisch unterfinanzierte«
Bundeswehr vorgefunden, die zum Teil noch für die Aufgaben des Kalten Krieges
gerüstet gewesen sei. Heißt: Es wurde versucht, ein zu großes und nicht mehr
aktuelles Aufgabenspektrum mit zu wenig Geld abzudecken. Dadurch, so Guttenbergs
Argumentationslinie in diesen und anderen Reden, habe es bislang eine
Bundeswehr »nach Kassenlage« gegeben. Auch hier also wieder das Schema: Nicht
ich betreibe eine Sicherheitspolitik nach Kassenlage, sondern ich sorge
endlich dafür, dass das nicht mehr so ist. Ein Mangel an Beweglichkeit ist
Guttenberg wahrlich nicht vorzuwerfen.
    252000 Soldaten
habe die Bundeswehr, ruft der Minister in den Saal, und schon die Entsendung
von 7000 in den Auslandseinsatz sei »auf
Kante genäht«. Der Minister sieht falsche Schwerpunkte gesetzt. Jenseits der
Ostgrenzen von Oberfranken, der Oberpfalz und Niederbayern stünden keine »potenziell
millionenstarken Panzerheere« mehr. Dennoch würde diese Bedrohungslage in der
Bundeswehr »noch abgebildet«. Das sind die Strukturen des Kalten Krieges, die
er ändern will. Er sagt das an diesem Ort nicht

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