Lohse, Eckart
dann geht es aber, dass man das mit Anstand,
Würde und Liebe macht«, sagt Enoch zu Guttenberg. Die Mutter
kommt zu Feiern und Familienfesten wie Weihnachten, auch zu besonderen Veranstaltungen,
wie zu Jagdgesellschaften. Die Ferien verbringen die Söhne oft bei ihr in
Frankfurt oder in Mutters Heimatort Eltville. Die Eltern hätten es »grandios«
gemacht, dass das Thema ihrer Trennung in der Familie nie besprochen worden
sei, erinnert sich der Sohn Karl-Theodor. Erst mit zwölf Jahren habe er
begriffen, was Scheidung sei, als es bei den Eltern von Klassenkameraden
Scheidungen gegeben habe. Dass Vater und Mutter an verschiedenen Orten lebten,
sei einfach von Anfang an selbstverständlich gewesen.
Die Trennung der Eltern bedeutet
aber auch, dass die Mutter in der Regel nicht da ist. Den Alltag mit zwei
kleinen Jungen kann Enoch zu Guttenberg nicht allein bewältigen. Das Schicksal
schickt ihm eine Frau, die sich um die beiden Söhne mit großer Liebe kümmert:
Ruth Lippert. Sie kam als eines von sechs Kindern einer Flüchtlingsfamilie nach
Guttenberg, als sie 14 Jahre alt
war. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebten mehr als 100 Flüchtlinge
auf dem Schloss. Die Lipperts machen sich nützlich, eine Schwester arbeitet im
Haus, ein Bruder als Chauffeur. Ruth Lippert, genannt »Lulla«, ist zunächst
für Karl Theodor den Älteren tätig, als seine Haushälterin in Bonn. Nach seinem
Tod arbeitet sie für dessen Frau Rosa Sophie. Nachdem Enoch zu Guttenberg und
seine Frau sich getrennt hatten, fragt sie den Vater, ob sie sich um die
Kinder kümmern soll. Der fühlt sich, als habe ihm der Himmel einen Engel
gesandt. Die Kinderfrau übernimmt in vielem die Rolle einer Mutter, wird zu
einer der wichtigsten Bezugspersonen von Karl-Theodor und seinem Bruder
Philipp. Heute ist Ruth Lippert seit 60 Jahren bei
den Guttenbergs, und sie sitzt weiter als Familienmitglied mit am Tisch. Sie
kümmert sich, soweit es geht, immer noch um Kinder - jetzt um die Söhne von
Enoch zu Guttenberg und seiner zweiten Frau Ljubka Biagioni. »Sie ist ein
völlig selbstloser, wunderbarer Mensch«, sagt Karl-Theodor zu Guttenberg über
sie.
Karl-Theodor zu Guttenbergs frühe
Jahre sind durch die häufige Abwesenheit der Eltern geprägt. Die Erziehungsmuster
des Adels - die Betreuung durch eine Kinderfrau - prägen auch seine Kindheit.
Die Berufstätigkeit des Vaters in Neubeuern bringt es mit sich, dass
Karl-Theodor in seiner Kindheit nur kurze Zeit auf Schloss Guttenberg wohnt.
Nach seiner Geburt lebt die Familie zeitweise auf dem Weingut der Familie im
pfälzischen Deidesheim. Dann zieht Enoch zu Guttenberg mit den kleinen Söhnen -
die Eltern haben sich schon getrennt - Mitte der siebziger Jahre nach
Freibichl, einem kleinen Weiler bei Neubeuern. Die Guttenbergs haben dort eine
Wohnung - im Vergleich zu den Bauern in der Nachbarschaft, die alle ihren Hof
haben, keine privilegierte Behausung. Besonders herrschaftlich erscheinen die
adligen Zugezogenen jedenfalls nicht. Mehrere Jahre wohnen die Guttenbergs in
Freibichl. Karl-Theodor und Philipp spielen mit den Kindern der Nachbarn, in
den Kindergarten gehen sie nicht, das ist damals auf dem Land nicht üblich, und
außerdem ist ja »Lulla«, die Ersatz-Mutter, da. Egal, wo die Guttenbergs gerade
wohnen, Ruth Lippert reist mit.
Erst als die Söhne in die Schule
kommen, zieht Enoch zu Guttenberg mit ihnen auf das Schloss, verfolgt so den
eigentlichen Plan, dass die Jungs auf Guttenberg groß werden müssten. Die
ersten zwei Schuljahre geht Karl-Theodor im nahe Guttenberg gelegenen
Untersteinach zur Schule. Die umliegenden Orte haben es so eingerichtet, dass
jeweils eine Gemeinde die Schule für zwei aufeinanderfolgende Klassen beherbergt.
Ab der dritten Klasse ist dann Guttenberg der Schulstandort für zwei Jahre.
Doch Karl-Theodor und Philipp besuchen nur ein halbes Jahr in Guttenberg die
Schule. Dann zieht der Vater aus beruflichen Gründen mit ihnen nach Neubeuern,
wo er ein Anwesen erworben hat. Glücklich ist Karl-Theodor nicht über den
abermaligen Ortswechsel. Schließlich wird er aus seiner gerade vertrauten
Schule herausgerissen und muss sich in einer schon seit zweieinhalb Jahren
bestehenden Klasse zurechtfinden. Dass er einige Kinder noch von früher kennt,
hilft dem »Gutber«, wie er im Ort von den Gleichaltrigen genannt wird.
Karl-Theodor und Philipp schlüpfen am Nachmittag oft bei den Familien anderer
Kinder unter - sie wachsen im Dorf auf, gehen mit den Freunden in den Wald,
Frösche
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