Lohse, Eckart
außenpolitische Ausrichtung macht seine Verzichtserklärung glaubhaft.
Vielleicht spürt mancher auch, dass »der Baron« sich zu Höherem berufen fühlt.
Koschyk gibt etwa zwei Monate vor
der für Anfang Dezember angesetzten Wahl seine Kandidatur bekannt. Damit ist
das letzte bisschen Überraschung dahin. Ein bekannter, durchschnittlich
bühnentauglicher Parteiarbeiter fordert ein, was er nach elf Jahren als
stellvertretender Bezirksvorsitzender für sein gutes Recht hält. Wie das nach
solchen Parteilaufbahnen ist, hat Koschyk politische Freunde ebenso wie Gegner.
Doch in einer Zeit, da die CSU gerade ihren Vorsitzenden Stoiber vom Thron und
sich in eine Identitätskrise stürzt, ist Koschyk nicht der Typus, auf den die
Partei gewartet hat, nicht mal für einen Bezirksvorsitz. Es ist nicht besonders
schwierig für Guttenberg, gegen einen solchen Konkurrenten Unterstützung für
sich selbst zu organisieren.
Knapp einen Monat vor der Wahl
teilt dann auch Guttenberg auf einer Sitzung des Bezirksvorstands offiziell
seine Kandidatur mit. Guttenberg hat Koschyk zuvor persönlich von seinem
Entschluss unterrichtet. Offenbar beeindruckt diesen der Wahlkampf des
Herausforderers. Noch drei Jahre später wird er sich an Guttenbergs
»generalstabsmäßig geplante Präsenz in Oberfranken« erinnern. Einen Tag vor
der Wahl kommt die »Nürnberger Zeitung« zu der Erkenntnis, es sei »völlig
offen«, wer das Rennen mache. Für Guttenberg spreche seine Jugendlichkeit und
seine Unbefangenheit, für Koschyk politische Erfahrung und Bodenständigkeit.'
Am 8. Dezember, einem Samstag, kommen
die Delegierten der oberfränkischen CSU in Weißenstadt zur Wahl ihres neuen Bezirksvorsitzenden
zusammen. Drei Tage zuvor ist Guttenberg 36 Jahre alt
geworden. Entscheidend sind die Vorstellungsreden. Koschyk spricht sachlich,
Guttenberg emotional, wie man ihn kennt. Während seiner Rede taucht seine Frau
Stephanie auf, bleibt eine Stunde und geht wieder. Keine »Hauptstadt der
Welt«, so versichert ihr Mann von der Bühne herab, sei wichtiger als das
Anliegen eines CSU-Ortsvereins. Dabei kennt er manche Hauptstädte vielleicht besser
als die CSU-Ortsvereine. Jedenfalls kennt Hartmut Koschyk die Ortsvereine
besser als sein Konkurrent. Das nützt ihm aber nichts. Der oberfränkischen CSU
scheint der Sinn nicht nach Ortsvereinsexperten zu stehen. 165 Stimmen
werden abgegeben. Koschyk bekommt 68 davon.
Anschließend wird er mit den Worten zitiert: »Es lief alles auf mich zu.«"
Der Sieger zeigt sich dem
Verlierer gegenüber von seiner besten Seite. Als Koschyk einen Tag nach seiner
Niederlage in die Bundeshauptstadt zurückkehrt, ist schon Post für ihn da: »Als
ich am Sonntag wieder in Berlin war, fand ich einen handschriftlichen,
formvollendeten Brief von Guttenberg vor, ehrlich, von Herzen, nicht
auftrumpfend, in dem er mir gute Zusammenarbeit anbot«, erinnert sich Koschyk.
Das bleibt nicht ohne Wirkung: »Unser Verhältnis ist seither freundschaftlich
geworden.«
Mancher erfahrene CSU-Politiker
zeigt sich erstaunt, dass nicht Koschyk, sondern Guttenberg das Rennen gemacht
hat. Bis in den November war alles auf den erfahrenen Parteimann Koschyk
zugelaufen, werden später einige alte Fahrensleute sagen. Der kurz zuvor
gewählte Parteivorsitzende Erwin Huber zeigte sich nach der Wahl überrascht.
Ihm sei, so wird er sagen, bis vier Wochen vor der Wahl zugetragen worden, es
werde wohl Koschyk werden. Dennoch bietet er dem neuen Bezirkschef sofort die
»Hand zur Zusammenarbeit«. Wie sich das für einen Parteivorsitzenden gehört,
hat Huber schon vor der Wahl verkündet, er könne sowohl mit Koschyk als auch
mit Guttenberg gut zusammenarbeiten.
Nach der Wahl sagt Huber einen
Satz, der dem jungen Bezirksvorsitzenden wohl klarmachen soll, dass er sich des
frisch erworbenen Postens nun auch würdig erweisen muss: »Für zu Guttenberg
bedeutet die Wahl die Übernahme eines sehr wichtigen Amtes innerhalb der CSU,
und das bereits in sehr jungen Jahren.«
Hundert Tage
Generalsekretär
Als Erwin Huber das sagt, weiß er
zwar, dass die Partei in einem ausgesprochen instabilen Zustand ist und die
Verarbeitung der gewaltsam zum Ende gekommenen Ära Stoiber gerade erst
begonnen hat. Wie schlimm es wird und dass er schon ein Jahr später nicht mehr
der Vorsitzende der CSU sein wird, das kann er jedoch nicht ahnen. Ebenso wenig
voraussehen kann er, dass der in »sehr jungen Jahren« überraschend zu einem
der in der Partei so wichtigen
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