Lohse, Eckart
Teheran zu erzeugen. Gemeinsam mit dem
CDU-Abgeordneten Ruprecht Polenz und zwei Sozialdemokraten empfiehlt der
CSU-Mann aus Oberfranken, die Amerikaner sollten in die Verhandlungen
Deutschlands, Frankreichs und Englands mit Iran einbezogen werden. Iran solle
wirtschaftliche Hilfe angeboten werden, wenn es sein
Nuklearanreicherungsprogramm einstelle. Sollten die Mullahs sich weigern, so
hätten die Europäer »Kenntnis genommen« davon, dass Washington es sich
vorbehalte, »der Situation entsprechend zu handeln«. Diese Andeutung darf
allerdings nicht als Einverständnis Guttenbergs interpretiert werden,
militärisch gegen Teheran vorzugehen. Vielmehr wird er dieses wenig später
ausdrücklich ausschließen. Auf amerikanischer Seite wird der Vorschlag von der
konservativen »Heritage Foundation« mitgetragen, aber auch von demokratischer
Seite. Immerhin kann ein Mitarbeiter des späteren demokratischen
Vizepräsidenten Joe Biden als Unterstützer gewonnen werden. Im
außenpolitischen Ausschuss des Senats stößt der Vorschlag auf Zustimmung.
Intensiv beschäftigt sich der
Außen- und Sicherheitspolitiker Guttenberg mit jenem Thema, das in nicht allzu
ferner Zukunft seinen politischen Alltag prägen soll: dem Bundeswehreinsatz am
Hindukusch. Trotz kritischer Anmerkungen zu einzelnen Entwicklungen steht
Guttenberg ganz
Der Wirtschaftsminister im März
2009 in Washington
klar hinter dem Einsatz. Dennoch denkt er - wie andere
auch - darüber nach, welches die Strategie für einen Abzug aus Afghanistan sein
könnte. Vermutlich ist es seinem intensiven Austausch mit amerikanischen
Gesprächspartnern geschuldet, dass er frühzeitig für Deutschland das
Denkmuster entwickelt, den Kräfteeinsatz zu intensivieren, um somit »auf
längere Sicht« auch einen Abzug zu ermöglichen. So veröffentlicht er im Juni 2006 zusammen
mit dem SPD-Außenpolitiker Hans-Ulrich Klose einen Artikel, in dem die beiden
vorschlagen, die dem OEF-Mandat unterstellten Bundeswehrsoldaten einschließlich
der Spezialkräfte der Schutztruppe Isaf zu unterstellen. Die Autoren kommen zu
dem Schluss, dass dann Bundeswehrsoldaten die im Aufbau befindlichen
afghanischen Truppen auch »in andere Landesteile« begleiten könnten. Berlin
könnte so seine »konfuse Mandatsstruktur« zu einem »reformierten und umfassenden«
Isaf-Beitrag straffen: »Berlin würde zudem seine Verantwortung für die
Stabilisierung des gesamten afghanischen Territoriums demonstrieren und einen
entscheidenden zukunftsgerichteten Beitrag zu einem gefestigten und lebensfähigen
afghanischen Staat leisten.«
Solche Formulierungen verfehlen
ihre Wirkung nicht: »andere Landesteile« oder das »gesamte afghanische
Territorium« - da schrillen in Berlin die Alarmglocken, denn das riecht
verdächtig nach einem Einsatz auch im gefährlichen Süden Afghanistans. Klose
und Guttenberg sagen das nicht mit letzter Deutlichkeit, aber der Parteifreund
Kloses und einstige Verteidigungsminister Peter Struck gibt diese
Auslegungshilfe schon bald. Guttenberg hat es sogar geschafft, die eigenen
Leute zu einer öffentlichen Ablehnung seiner Position zu bringen. Der
außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, von Klaeden, und der ebenfalls zur
CDU gehörende Außenpolitiker Andreas Schockenhoff sehen gerade nicht, dass ein
Rückzug Deutschlands aus dem OEF-Mandat das Ansehen Berlins stärken würde,
sondern fürchten, dass der Eindruck bestärkt würde, man sei nicht zu einer
fairen Risikoverteilung bereit. Guttenbergs Vorstoß entspreche nicht der Linie
der Fraktion.
Was Guttenberg in jener Zeit
treibt, ist noch nicht von großer Wirkung. Aber es ist doch schon seine Art,
Politik zu machen, wie er sie wenige Jahre später einem ganz großen Publikum
vorführen wird. Er sucht sich gern die Position, mit der er auffällt, weil sie
quer zur Mehrheitsmeinung liegt. Alle in Berlin schlagen auf George W. Bush und
seine Republikaner wegen des Irakkriegs ein? Guttenberg hält Kontakt zu den
Republikanern und bringt eine Rolle der Nato im Irak ins Gespräch. Keiner will
die Bundeswehr im Süden Afghanistans sehen? Er macht einen etwas nebulösen
Vorschlag, der gleichwohl als Plädoyer für einen solchen Einsatz gelesen werden
kann. Alle wollen einen umfassenden Einfluss des Bundestages auf
Auslandseinsätze der Bundeswehr? Guttenberg warnt vor einer Einengung der
Exekutive - ganz so, als ahne er schon, dass er Verteidigungsminister werden
soll.
Noch deutlicher zeichnet sich eine
Linie vom Abgeordneten
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