Lohse, Eckart
Regel muss er mit seiner Familie im Wahlkreis leben, um
dessen Interessen wochenweise im fernen Berlin zu vertreten. Vor allem die
Tatsache, dass die Guttenbergs sozusagen zum politischen Inventar der Region
um Kulmbach gehören, erlaubt es dem jungen Abgeordneten, seinen
Lebensmittelpunkt in die deutsche Hauptstadt zu verlegen. Dennoch, oder gerade
deswegen, muss er sich stets um seinen Wahlkreis kümmern - wie jeder
Abgeordnete, der wieder aufgestellt werden will.
2005 sollen die
Mittel der Gemeinschaftsaufgabe West-Förderung neu festgesetzt werden. Schon 2004 fangen der
Bundestagsabgeordnete Guttenberg und der Landtagsabgeordnete Schramm an, für
ihre Region zu kämpfen. Es geht um Zuschüsse für Unternehmen, die in der
Region investieren. Der Kreis Kulmbach wird in den neuen Fördertopf aufgenommen.
Das kommt an der Basis gut an. Zwei Jahre später, als Guttenberg
Bezirksvorsitzender wird, weist der CSU-Vorsitzende Huber darauf hin, dass ein
Drittel aller in Bayern verteilten Regionalförderung nach Oberfranken fließe,
obwohl dort nur neun Prozent der Bevölkerung lebten.
Guttenberg pflegt seinen Wahlkreis
nicht nur politisch, sondern auch menschlich. Ende 2009, als er
längst zum bundesweit bekannten Star aufgestiegen ist, muss Schramm sich einer
schweren Herzoperation unterziehen. Als der Verteidigungsminister eines Abends
spät nach Kulmbach kommt, scheucht er noch nachts um 22 Uhr die
Schwestern im Krankenhaus auf, um Schramm einen Besuch abzustatten.
Jedenfalls gelingt es dem
innerparteilichen Spätstarter, seine Basis davon zu überzeugen, dass er auch
für die ein Jahr vor dem regulären Termin angesetzte Bundestagswahl 2005 der
richtige Kandidat ist. Der negative Trend der CSU schlägt zwar auch hier durch,
Guttenberg schneidet ein kleines bisschen schlechter ab als drei Jahre zuvor.
Dennoch setzt er sich bei den Erststimmen in allen 34 Wahllokalen
gegen den SPD-Konkurrenten Claus Stenglein durch. Im Örtchen Lahm holt er 90 Prozent
der Stimmen.
Doch das alles bedeutet noch keine
wirkliche Macht in der CSU. Das begreift der Transatlantiker aus Berlin. Henry
Schramm, der die Mechanismen der Partei genau kennt, beschreibt es so:
»Guttenberg hat schnell erkannt: der Bezirksvorsitz ist der Schlüssel. Wer in
der CSU etwas werden will, muss Bezirksvorsitzender sein.« Tatsächlich: Wer
einmal Chef eines der zehn Parteibezirke geworden ist, zählt als Topkandidat
für einen Posten in München, sei es im Landtag oder in der Regierung - und
natürlich ist das auch ein Sprungbrett zum CSU-Vorsitz. Die Gelegenheit,
Bezirkschef in Oberfranken zu werden, bietet sich Guttenberg fünf Jahre nach
dem Einzug in den Bundestag. Der Bezirksvorsitzende Werner Schnappauf wechselt
zum Bundesverband der Deutschen Industrie. Nach dem Monate zuvor kläglich
gescheiterten Versuch des CDU-Bundestagsabgeordneten und parlamentarischen
Geschäftsführers der Unionsfraktion, Norbert Röttgen, das Amt des
BDI-Hauptgeschäftsführers anzutreten und sein Bundestagsmandat zu behalten, ist
klar, dass Schnappauf den Bezirksvorsitz aufgeben muss.
Zunächst spricht vieles dafür,
dass der Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk Schnappauf nachfolgen wird.
Sein Stellvertreter ist er schon, zudem Parlamentarischer Geschäftsführer der
CSU-Landesgruppe in Berlin. Koschyk ist Ende 40, als
Parteipolitiker wie als Abgeordneter erfahren. Hans-Peter Friedrich,
Schnappauf-Vertreter und Bundestagsabgeordneter auch er, bekundet kein
Interesse. Der einzige Münchner Kandidat, Innenstaatssekretär Jürgen Heike, wird
später seinen Verzicht kundtun.
Guttenberg scheint gewillt
anzutreten, aber legt sich noch nicht fest. Er ist allerdings aktiv, fährt
durch den Bezirk, sondiert, ob die so wichtigen Kreisvorsitzenden ihn
unterstützen
Henry Schramm, Oberbürgermeister
von Kulmbach und enger Vertrauter Guttenbergs, attestiert ihm »großes
taktisches Gespür«
würden. Dabei zeigt er, dass er
manches über die Befindlichkeiten der Partei gelernt hat. Diejenigen, vor
allem sind es Landtagsabgeordnete, die auf einen Ministerposten in München
hoffen und fürchten, ein Bezirksvorsitzender Guttenberg könnte ihnen in die
Quere kommen, beruhigt dieser mit der Zusicherung, an einem Posten in der
Landesregierung sei er nicht interessiert. So berichtet es Schnappauf, so
erzählen es andere. Die Landtagsabgeordneten sind häufig auch die Kreisvorsitzenden.
Wenn man diese auf seiner Seite hat, ist das schon ein Gutteil der Miete.
Guttenbergs
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