Lohse, Eckart
so wie bei fast allen anderen Politikern: Es
funktioniert nicht, es wirkt einfach nur albern. Deswegen versuchen viele
Spitzenpolitiker, entsprechende Szenen zu vermeiden. Als Guttenbergs Vorgänger
Franz Josef Jung zum ersten Mal in Afghanistan war, bemühte sich sein Sprecher
geradezu verzweifelt, Aufnahmen vom Minister mit Helm zu verhindern.
Kritik an den Auftritten und
Inszenierungen Guttenbergs ist lange nicht zu hören. Dass die Opposition
zurückhaltend ist, versteht sich. Solange die Beliebtheitsumfragen derart eindeutig
sind und Guttenberg auf dem ersten Platz fest gebucht ist, würde es nur nach
schlechtem Verlierer aussehen, den so Erfolgreichen wegen der Bilder von ihm,
die verbreitet werden, zu kritisieren. Auch die Medien halten sich verständlicherweise
zurück, denn sie leben ganz gut mit dem prominenten Minister und seiner Frau.
Die erste und einfachste Kritik bestünde darin, deren Bilder nicht mehr zu
drucken. Doch das Gegenteil ist der Fall. Das gilt nicht nur für die zur Illustration
gedruckten Fotos. Auch geworben wird mit Guttenberg. So schaltet der »Spiegel«
eine zweiseitige Zeitungsanzeige mit gezeichneten Politikerköpfen. Angela
Merkel ist abgebildet, Helmut Schmidt, Sigmar Gabriel oder auch Hamid Karzai,
insgesamt mehr als zehn Porträts in der Größe von jeweils etwas mehr als einer
Zwei-Euro-Münze. Das Konterfei Guttenbergs nimmt dagegen überlebensgroß eine
ganze Zeitungsseite für sich ein.
Was sagt es über einen
Spitzenpolitiker, wenn er sich immer wieder bei Gelegenheiten und in Posen
ablichten lässt, die mit der unmittelbaren Ausübung seines Amtes nichts zu tun
haben? Das gilt für die Glitzerfotos von Bällen, Galaabenden und Spielshows im
Fernsehen, das gilt aber noch mehr für die Afghanistanbilder. Er ist
Verteidigungsminister, Politiker, aber eben kein Soldat. Es gehört zu seinen
Pflichten, mit den Politikern in Kabul und Kundus zu sprechen und auch mit den
Kommandierenden der Bundeswehr vor Ort. Sein Amt erfordert es nicht im
mindesten, dass er halbuniformiert aus Hubschraubern springt oder sich in
militärische Stellungen einweisen lässt, vom Mitfliegen in einem Kampfflugzeug
ganz zu schweigen. Wenn das die von ihm so gern zitierte »verdämmte Pflicht«
wäre, so müsste er auch an der Front schießen und kämpfen, sonst wäre das
Kennenlernen des soldatischen Geschäfts unvollständig. Abgesehen davon,
verkleidet sich Verkehrsminister Peter Ramsauer auch nicht als Lokführer, und
Gesundheitsminister Philipp Rösler versucht sich nicht an einer
Herztransplantation. Angela Merkel hätte viel zu tun, wenn sie sich in das
Alltagsgeschäft all jener Berufsgruppen einweisen ließe, für die sie durch ihr
allumfassendes Amt der Bundeskanzlerin politisch Verantwortung trägt.
Ausgerechnet Oliviero Toscani,
jener italienische Fotograf, der in den neunziger Jahren die provokative
Werbung für den Modekonzern Benetton machte und mithin ein Experte in Sachen
Inszenierung ist, äußert sich wenige Tage nach Guttenbergs Frontbesuch kritisch
über diesen. Die Fotografie habe die »lächerliche Seite« des
Verteidigungsministers preisgegeben. »Ich glaube nicht, dass er besonders
schlau ist, wenn er sich so darstellt. Aber jeder muss selbst wissen, wie er
aussehen will.« Toscani versucht zu erklären, warum Guttenberg so auftritt:
»Wenn er zu der Art Politiker gehört, die inszenierte Bilder lieben, heißt das
vielleicht, dass er nicht so gern die Wahrheit sagt.« Das ist bei Guttenberg
weniger der Fall. Die Wahrheit sagt er gern und laut, auch wenn sie sich immer
mal wandelt. Interessanter ist ein anderes Zitat, das der Italiener der ihn
befragenden deutschen Journalistin liefert: »Wenn sich Ihr
Verteidigungsminister nicht sicher ist, was er ist, dann gefällt es ihm, es zu
inszenieren, was er nicht ist.« Guttenberg schwankt zwischen Führungsanspruch
und Rücktrittsdrohung, zwischen Begeisterung für die Wehrpflicht und deren
Aussetzung - vielleicht ist er sich wirklich nicht so sicher, was er ist und
was er sein will. Nur in einem, das zeigen die Bilder, ist er sich ganz gewiss:
Er will populär sein. Solange es geht.
EIN BILD VON
EINER FRAU:
STEPHANIE ZU
GUTTENBERG
»Schaut nicht
weg!«
Mehr als 200 Leute drängen sich im
Kellergeschoss des Kulturkaufhauses Dussmann an der Berliner Friedrichstraße.
Sechs Fernsehkameras sind in Stellung gebracht. Es ist der Abend des 15.
September 2010. Stephanie zu Guttenberg zwinkert auffällig-unauffällig Leuten
im
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