Lohse, Eckart
Publikum zu. Es ist ein besonderer Abend für sie, der erste große Auftritt
in einer neuen Rolle. Die Frau des Verteidigungsministers stellt an diesem
Abend ihr Buch vor. Es ist ihr ganz persönliches Projekt. Ihr Mann hat nach
eigenem Bekunden davon erst erfahren, als das Manuskript schon im Lektorat war.
Stephanie zu Guttenberg verfolgt ihre Karriere mit dem Anspruch, eigenständig
zu sein. Und mit nicht weniger Selbstbewusstsein als ihr Ehemann.
Ihr Buch handelt von sexuellem
Kindesmissbrauch und was dagegen zu tun ist. Die Autorin hält eine zu Werbezwecken
hergestellte überdimensionale Version ihres Buches in die Kameras. Es heißt
»Schaut nicht weg!«. Dafür, dass hingeschaut werden muss, tut Stephanie zu
Guttenberg viel. Sie trägt an diesem Abend eine schwarze Bluse, große goldene
Ohrringe und einen kurzen Rock, der auf den ersten Blick nur aus weißen und
schwarzen Schnüren zu bestehen scheint. Erst auf den zweiten Blick wird klar,
dass das Streifengeflecht an einem darunter liegenden Stoff befestigt ist. Dazu
trägt sie eng anliegende schwarze Wildlederstiefel, die am unteren Ende in sehr
hohe und ebenso dünne Absätze auslaufen, auf denen sicher zu laufen es
jahrelangen Trainings bedarf.
Diese Anmutung steht im krassen
Gegensatz zu ihrem streng gekleideten Gesprächspartner Manuel Herder. Der Chef
des katholisch geprägten Familienverlags, der auch Papst Benedikt XVI. verlegt,
hat in seinem braven braunen Anzug und seiner betulichen Art so gar
nichts von Party oder Club an sich; der vierfache Familienvater erinnert eher
an einen Domkapitular. Eine inquisitorische Befragung seines Gegenübers findet
allerdings nicht statt. Vielmehr will Herder von seiner Autorin im Laufe der
Veranstaltung dreimal wissen, woher sie denn die Kraft nehme, sich mit dem
Thema Kindesmissbrauch zu beschäftigen, eine Frage, mit der Stephanie zu
Guttenberg anscheinend wenig anfangen kann. Sie sagt dann: »Es ist so
entsetzlich, man kann sich nicht davor wegducken.« Oder: »Es gibt nur wenige
Menschen, die sich dem stellen.« So die mutige Frau Guttenberg.
Trotz des ernsten Themas strahlt
der Verleger. So viel öffentliche Aufmerksamkeit hat sein Haus samt dem ihm
angeschlossenen Kreuz Verlag, in dem das Buch erschienen ist, lange nicht
gehabt. Geschrieben hat es zu großen Teilen Anne-Ev Ustorf, eine freie
Journalistin aus Hamburg, die allerdings nur im Innenteil des Buches genannt
wird. Aber das ist üblich, wenn Prominente Bücher schreiben. Und Stephanie zu
Guttenberg ist längst eine Top-Prominente. Die erste Auflage des Sachbuchs
wird binnen einer Woche ausverkauft sein. Denn die Republik befindet sich im
Guttenberg-Fieber. Und es scheint, die führende Rolle hat in diesen Tagen die
bessere Hälfte des Gespanns übernommen.
Zwei Tage vor der Buchvorstellung
hat die Buchautorin zum ersten Mal die Seite eins der »Bild«-Zeitung geziert,
solo, ohne ihren Mann. »Stephanie zu Guttenberg: Pornographie verdirbt unsere
Kinder« titelt Deutschlands Massenblatt. Und etwas kleiner: »Besorgte
Minister-Gattin schlägt Alarm«. Weiter hinten bringt die »Bild«-Zeitung einen
Vorabdruck aus ihrem Buch, reichlich garniert mit Bildern halbnackter
Pop-Sternchen, die sich in Latex, Netzwäsche und Stacheldraht räkeln. »Die
Idole unserer Kinder sehen aus wie Pornostars« steht darüber. Der Vorabdruck
wird in den nächsten Ausgaben fortgesetzt.
Denn Stephanie zu Guttenbergs Buch
handelt nicht nur von sexuellem Missbrauch an Kindern und was man dagegen tun kann.
Das Thema weitet sie aus zu einer Art Kulturkritik. Sie geißelt, dass heute
Mädchen und Jungen mit Idolen aufwüchsen, die wie Pornostars aussähen. Selbst
Vierfachmutter Heidi Klum inszeniere sich »in Overknee-Stiefeln und Lederkorsett,
gleichermaßen knapp bekleidet sind die jungen Models ihrer Show«. In ihrer
Kindheit, in den achtziger Jahren, sei es zwar für Popstars ebenfalls gut fürs
Geschäft gewesen, sexy zu erscheinen - »doch wurde dabei die Grenze zum Ordinären
nur selten überschritten«. Heute sei die Pornographie mit ihrem fragwürdigen
Frauenbild hingegen Bestandteil der Jugendkultur geworden. Folge dieser
allgemeinen Sexualisierung seien psychische und körperliche Beeinträchtigungen,
etwa Essstörungen und Depressionen bei Mädchen. Stephanie zu Guttenberg
spricht damit vielen Eltern von Jugendlichen aus der Seele. Sie streitet aber
auch nicht ab, dass sich das Sexualverhalten vieler Jugendlicher, etwa das
Alter, in dem sie den ersten
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