Lohse, Eckart
Abstand Karl-Theodor zu Guttenberg, ein westdeutscher Adliger,
der noch dazu dem Berufsstand der Politiker angehört und einer Partei, deren Führungspersonal
in der Vergangenheit nicht selten versucht hat, auf dem Rücken der Ostdeutschen
Wahlkampf zu machen. Guttenberg, der bei der gleichen Umfrage im Vorjahr noch
mit 27 Prozent Zustimmung auf Platz vier
lag, bekommt dieses Mal 39 Prozent.
Damit rangiert er 14 Punkte vor Formel- 1- Weltmeister
Sebastian Vettel, 17 Punkte vor Talkmaster Günther
Jauch und 19 Punkte vor Fußballnationaltrainer
Jogi Low und dem Ex-Bundesbankvorstand und Bestsellerautor Thilo Sarrazin. Kein
anderer aktiver Politiker weit und breit. Das verstärkt den Eindruck, dass auch
Guttenberg nicht als Politiker so beliebt ist, sondern als Prominenter - mit
Geld, Gel und einer Geschichte -, der zufällig in der Politik tätig ist. Die
Bundeskanzlerin und der Vizekanzler tauchen nur in der Rubrik »weitere
Plazierungen« auf. Merkel ist von 34 Prozent im
Wahljahr 2009 auf 13 Prozent
abgerutscht. Guido Westerwelle steht wie schon 2009 bei einem
Prozent und damit deutlich hinter Lena Meyer-Landrut, Mesut Özil und Dieter
Bohlen.
Bundeskanzler
Guttenberg?
Dass früh eine Debatte darüber
beginnt, ob Guttenberg nicht der Richtige als Bundeskanzler wäre, ist
angesichts solcher Umfragewerte wenig erstaunlich. Interessant daran ist vielmehr,
dass sie nicht in erster Linie von den ansonsten für solche Spielchen
zuständigen Journalisten geführt wird. Von Anfang an beteiligen sich Politiker
an dieser Form der Glorifizierung, die Umfrageinstitute stehen nicht lange
beiseite, sondern machen mit. Im Juli 2009, Guttenberg
weiß gerade mal, wer im Wirtschaftsministerium den Kaffee kocht, sagt der erfahrene
und gut beleumundete CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis über Guttenberg:
»Wenn er lange genug Dienste getan hat als Minister, warum sollte er dann
nicht mal für die CSU als Bundeskanzler antreten?« Sein Parteifreund Hans-Peter
Uhl lobt den Wirtschaftsminister, greift zwei Monate vor der Bundestagswahl schon
mal der Kabinettsbildung vor mit der Bemerkung, Guttenberg solle auch nach
dieser als Minister weitermachen, und antwortet schließlich auf die Frage nach
der Kanzlerschaft: »Jeder Katholik kann auch Papst werden.« Auch Emnid-Chef
Klaus-Peter Schöppner gibt sich in jenem Sommer beeindruckt. Kein Politiker
habe es je geschafft, so schnell akzeptiert zu werden.
Ein Jahr später, als
Bundespräsident Horst Köhler völlig überraschend sein Amt hinschmeißt, nur ein
Jahr nach seiner Wiederwahl, und ein Nachfolger gewählt werden muss, bringt das
große Unruhe in die Koalition. Der Unionskandidat Christian Wulff hat mit dem
Bewerber von SPD und Grünen, Joachim Gauck, einen unerwartet starken Gegner.
Gedankenspiele machen im politischen Berlin die Runde, wie stabil die Zukunft
von Kanzlerin Merkel noch wäre, sollte ihr Kandidat Wulff es nicht schaffen.
Prompt wird zu diesem Szenario eine Umfrage in Auftrag gegeben, wer ihr
nachfolgen könnte, sollte sie zurücktreten. Das erwartbare Ergebnis: Die
meisten wollen Karl-Theodor zu Guttenberg in diesem Amt sehen, 34 Prozent
der Befragten. Platz zwei belegt mit nur 19 Prozent
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen von der CDU.
Wulff wird im dritten Durchgang
zum Bundespräsidenten gewählt, die Sache ist gerade noch gutgegangen für Angela
Merkel. Doch der Zustand der Koalition, der ständige Streit, die schlechten
Umfragen für Union und FDP lassen die Mutmaßungen nicht enden. Je unsicherer
es im Herbst wird, ob die CDU bei der Landtagswahl im nächsten Frühjahr ihre
Macht in Baden-Württemberg behaupten kann, desto intensiver wird über Merkels
Zukunft spekuliert - und über die Guttenbergs. In einem Bericht der
»Frankfurter Allgemeinen Zeitung« wird im Oktober 2010 die
Stimmung in der Union so beschrieben, dass eine schwere Niederlage der CDU in
Baden-Württemberg Guttenberg den Weg ins Kanzleramt ebnen könnte, wenn auch
vermutlich nicht sofort. Der Artikel belebt eine ohnehin schon hochnervöse
Diskussion über den Franken. Wenige Wochen später wird sich in München die CSU
zu ihrem Parteitag treffen. Sprach im Sommer noch alles dafür, dass dort eine
spannende Entscheidung zu erwarten ist, ob der Verteidigungsminister sich gegen
seinen Parteichef Seehofer mit den Plänen für eine Aussetzung der Wehrpflicht
durchsetzen kann, so sind die Ereignisse längst darüber hinweggerollt.
Seehofer musste schon lange vor dem Parteitag
Weitere Kostenlose Bücher