Lohse, Eckart
durch zwei Anschläge
getötet worden, sie hinterlassen Frauen und Kinder. Einer von ihnen war
genauso alt wie der Verteidigungsminister, 38 Jahre. Im Liebfrauenmünster sind
die Särge vor dem Altar in Schwarz-Rot-Gold gehüllt. Die Helme der Toten
liegen darauf. In der Kirche haben sich rund 1000 Trauernde
versammelt, weitere 3000 verfolgen
die Trauerfeier auf zwei Großleinwänden. Die Bundeskanzlerin ist wieder
anwesend, auch der Außenminister und Vizekanzler Guido Westerwelle. Die
Kanzlerin und ihr Stellvertreter nehmen in der Kirche zwei junge weinende
Frauen tröstend in den Arm; sie hatten sich zuvor mit den Angehörigen
getroffen. An diesem Tag spricht nur der Verteidigungsminister. Er verbindet
seine Trauerrede mit einem Bekenntnis zur Bundeswehr als Einsatzarmee, die auch
in Zukunft Tote zu beklagen haben werde. Es habe ein glückliches Deutschland
gegeben, in dem kein Kind habe sagen müssen, dass sein Vater gefallen sei. Aber
dieses Deutschland gebe es nicht mehr. »Tod und Verwundung sind Begleiter
unserer Einsätze. Und sie werden es auch in den nächsten Jahren sein. Wohl
nicht nur in Afghanistan«, sagt Guttenberg. Das ist deutlich, geradezu hart
angesichts der trauernden Angehörigen. Doch Guttenberg spricht auch diesmal
persönliche Worte an die Familien der Gefallenen: »In politischer
Verantwortung hat man Sie, verehrte Angehörige, auch um Verzeihung zu bitten.
Entschuldigung wäre wohl ein unangebrachtes Wort, da Schuld und die Fähigkeit
zu zweifeln mit Verantwortung einhergehen - aber Verzeihung.« Es ist eine
Passage, die Guttenberg im engen privaten Kreis vorher besprochen hatte.
Deutschland im
Krieg
Die Trauerfeiern im April des
Jahres 2010 sind ein Versuch Guttenbergs, eine
neue, öffentliche Kultur des Trauerns um gefallene Soldaten zu begründen. Damit
tun die Deutschen sich immer noch schwer. Das hat mit ihrer Geschichte im 20. Jahrhundert
zu tun, auch mit der Geschichte der Bundeswehr. Die Streitkräfte der
Bundesrepublik hatten fast vier Jahrzehnte zwar eine wichtige Rolle im Rahmen
des westlichen Bundnisses zu spielen, aber die Bundeswehr war im Grunde nie
dazu bestimmt gewesen, eingesetzt zu werden. Zwar befindet sich das geteilte
Deutschland gerade an der Frontlinie, an der sich die hochgerüsteten
Militärblöcke des demokratischen Westens und des kommunistischen Ostens
gegenüberstehen. Und der Ernstfall wird auch in der Bundeswehr mit großem
technischem und personellem Aufwand geübt. Aber ebenso klar ist, dass das
Handwerk des Soldaten, zu kämpfen und zu töten, wohl nie angewendet werden
muss. Die hohe gesellschaftliche Akzeptanz der Bundeswehr hing auch damit zusammen,
dass deren Einsatz in einem Krieg über Jahrzehnte allenfalls hypothetisch
möglich war. Deutschland wird, gerade im Zeichen der Friedensbewegung der
achtziger Jahre, ein pazifistisches Land. Dass deutsche Soldaten getötet werden
können und auch selber töten, war gerade im Angesicht der Schreckensszenarien eines
Atomkriegs beinahe unvorstellbar. Wie soll denn auch der Krieg, an dem deutsche
Soldaten teilnehmen, aussehen, wenn mit einem Atomschlag ohnehin alles zu Ende
sein würde? Die Bundesrepublik schickt jedenfalls vor der Wiedervereinigung
Deutschlands Soldaten allenfalls zu Hilfsmissionen bei Erdbeben- oder
Hochwasserkatastrophen, doch nicht einmal an internationalen Blauhelm-Einsätzen
nimmt die Bundeswehr teil.
Erst mit dem Ende des Kalten
Krieges und dem Zusammenbruch der Sowjetunion geht diese Ära in den neunziger
Jahren zu Ende. Im Jahre 1992 entsendet
der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe von der CDU 145 Sanitätssoldaten,
allesamt Freiwillige, zu einer internationalen Friedensmission nach
Kambodscha. Es ist der erste Auslandseinsatz der Bundeswehr. Ein Jahr später
können Bundeswehrsoldaten in Somalia Brunnen bohren, 1995 beteiligen
sich deutsche Soldaten an der von der Nato geführten Friedenstruppe für
Bosnien-Herzegowina.
Diese Einsätze sind allerdings
kaum Grund dafür, dass die Deutschen ihre grundsätzliche pazifistische
Gesinnung und ihren Blick auf die eigene Armee und deren Aufgabe ändern.
Die Deutschen tun sich schwer mit
dem Begriff Krieg. Für sie ist er mit Millionen Toten, mit zerstörten Städten,
verlorener Heimat, nicht zuletzt auch mit dem Holocaust und dem Vernichtungsfeldzug
Hitlers im Osten verbunden. Für Krieg sind die Deutschen deshalb nicht zu
haben. Erst 1999, als sich deutsche Tornados am
Krieg der Nato gegen Serbien beteiligen, kommt es
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