Lohse, Eckart
zumindest beim Blick
auf Fernsehnachrichten und Zeitungsschlagzeilen nicht viel zu sehen ist.
Wie reagiert die Politik auf
Guttenbergs Vorstoß? Was in den Tagen darauf die führenden Politiker sagen, die
für Außen- und Sicherheitspolitik zuständig sind, ist höchst befriedigend für
ihn. Schon am 7. November, vier Tage nach seinem
Vorpreschen in Sachen Kriegsrhetorik, unterstützt ihn der Außenminister. Guido
Westerwelle, nicht gerade ein Freund Guttenbergs, pflichtet ihm uneingeschränkt
bei: »Er hat gesagt, er versteht jeden Soldaten, der das als Krieg empfindet.
Das waren die richtigen Worte.« Es gelte, den Bürgern »in die Augen zu schauen«
und ehrlich zu sagen, wie die Lage ist. Der Außenminister verbindet das mit
einem vorsichtigen, aber deutlichen Hinweis auf den Abzug aus Afghanistan. Es
gelte nun, mit den Verbündeten realistische Ziele festzulegen und den Weg zu
beschreiben, wie wir »selbsttragende Sicherheit in Afghanistan erreichen«.
Nur weitere vier Tage dauert es,
bis die Bundeskanzlerin sich zu Wort meldet. Angela Merkel ist bis dahin
äußerst zurückhaltend mit dem Wort »Krieg« gewesen. Als Verteidigungsminister
wusste Franz Josef Jung sich stets einig mit seiner Chefin, wenn er oder seine
Sprecher vom Stabilisierungseinsatz sprachen. Nun aber schließt sich auch
Merkel ihrem neuen Minister an. Am 13. November 2009 - Guttenbergs
Amtseinführung ist eben drei Wochen her - sagt sie: »Ich teile die Meinung von
Verteidigungsminister zu Guttenberg, dass aus der Sicht unserer Soldaten
kriegsähnliche Zustände in Teilen Afghanistans herrschen, auch wenn der Begriff
>Krieg< aus dem klassischen Völkerrecht auf die jetzige Situation nicht
zutrifft.« Ganz offenkundig übernehmen Außenminister und Kanzlerin dankbar
einen Vorschlag, der einen Ausweg weist aus der verfahrenen Diskussion, wie
denn ein Einsatz zu nennen sei, bei dem immer mehr Bundeswehrsoldaten sterben
oder töten, der aber formal nicht Krieg genannt werden darf. Mit einem
rhetorischen Kniff hat Guttenberg dieses Problem fürs Erste gelöst. In einer
zentralen Frage zwei so wichtige Akteure in kurzer Zeit hinter sich gebracht
zu haben, ist für den jungen Verteidigungsminister ein Erfolg, der geeignet
ist, sein Selbstbewusstsein weiter zu stärken.
Noch einen Vorteil hat die Wahl
der Worte »Krieg« und »kriegsähnlich«. Alle Umfragen belegen, dass der Afghanistan-Einsatz
von einer deutlichen Bevölkerungsmehrheit abgelehnt wird. Wer - wie inzwischen
alle führenden Außen- und Sicherheitspolitiker nicht nur in Deutschland - daran
denkt, den Einsatz am Hindukusch zu beenden, tut sich leichter beim Finden von
Argumenten, wenn er ihn als Krieg bezeichnet. Denn worin sollte der Sinn oder
gar der Zwang bestehen, ein Engagement zu beenden, das der Stabilisierung
eines instabilen Landes gilt? Guttenberg selbst mag Zweifel haben, was die
Zweckmäßigkeit eines raschen Abzugs aus Afghanistan angeht. Aber er sieht, wie
schwierig und unpopulär der Einsatz am Hindukusch ist. Auch seine eigene
Partei, die CSU, dringt mindestens ebenso sehr wie die FDP darauf, Afghanistan
so schnell wie möglich zu verlassen.
Auch in den folgenden Monaten
greift Guttenberg das Wort vom »Krieg« immer wieder auf, gerade wenn es wieder
Gefallene zu beklagen gilt. Am Ostersonntag 2010, also zwei
Tage nachdem bei einem Gefecht drei Soldaten getötet wurden, spricht er offen
von einem »Krieg«, auch wenn er das Wort »umgangssprachlich« hinzufügt. »Auch
wenn es nicht jedem gefällt, so kann man angesichts dessen, was sich in Afghanistan,
in Teilen Afghanistans abspielt, durchaus umgangssprachlich - ich betone
umgangssprachlich - in Afghanistan von Krieg reden«, sagt der Minister in Bonn,
wo er am Abend auf dem Flughafen die Särge erwartet. Wie weit er mit seiner
Mission, den Kampf der Bundeswehr als »Krieg« zu bezeichnen, schon gekommen
ist, erfährt Guttenberg im Juli 2010 bei einer
Buchvorstellung in Berlin auf skurrile Art. Als er von »kriegsähnlichen
Zuständen« in Afghanistan spricht, also den Begriff verwendet, den er ein
halbes Jahr zuvor geprägt hatte, fragt ihn ein Journalist, ob er mit diesem
Ausdruck nicht die Wirklichkeit in Afghanistan schönrede. Noch ein halbes Jahr
später, kurz vor Weihnachten 2010, reist
Angela Merkel mit Guttenberg nach Afghanistan. »Wir haben hier nicht nur
kriegsähnliche Zustände, sondern Sie sind in Kämpfe verwickelt, wie man sie im
Krieg hat«, sagt sie den Soldaten und erinnert daran, dass
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