Lohse, Eckart
der
Verteidigungsminister die Lage schon frühzeitig so beschrieben habe.
Hat Guttenberg also die Dinge vom
Kopf auf die Füße gestellt, eine völlig neue Bewertung des
Afghanistan-Einsatzes durchgesetzt? Betrachtet man die Dinge nüchtern, so hat
sein Vorgänger Franz Josef Jung sogar mehr politische Schritte dafür
unternommen, dass der Afghanistan-Einsatz öffentlich anders bewertet werden
sollte als zuvor. Immerhin setzt Jung - wenn auch nach langem Anlauf und unter
dem Druck der militärischen Wirklichkeit - durch, dass die in Afghanistan zu
Tode gekommenen Soldaten als »Gefallene« bezeichnet werden. Und er schafft es,
dass ein Ehrenmal für alle im Einsatz umgekommenen Soldaten der Bundeswehr
errichtet wird - zwar nicht in der Nähe des Reichstags, wie viele Abgeordnete
es für die Parlamentsarmee Bundeswehr wollten, aber immerhin auf dem Gelände
des Bundesverteidigungsministeriums, wenn auch auf seiner Hinterseite. Jung
führt auch eine Tapferkeitsmedaille ein für die Soldaten, die sich in außergewöhnlicher
Weise hervorgetan haben. Im Sommer 2009 zeichnet
die Bundeskanzlerin die ersten vier Soldaten mit dieser Medaille aus. Zu sagen,
Jung hätte nichts getan, um den Afghanistan-Einsatz öffentlich aufzuwerten,
wäre also falsch. Allerdings findet der joviale Mann aus dem Rheingau beim
Thema Afghanistan nie den richtigen Ton. Und alles, was er unternimmt, macht er
defensiv, ohne Aplomb und ein bisschen verdruckst.
Verdruckst ist Guttenberg nicht,
sondern das Gegenteil. Sein Erfolg beruht auch darauf, Dinge beim Namen zu nennen.
In der Regel sind es jene Dinge, die die Mehrheit der Bevölkerung schon längst
verstanden hat, bei denen sie geradezu sehnsüchtig darauf wartet, dass jemand
sie offen ausspricht. Guttenberg spürt das genau. Und seine Haltung »Das muss
man doch einmal sagen« kommt dann besonders gut an. Wie er es geschafft hat,
ein angeblich sicheres »Verliererthema« - nämlich Gefallene, Tod und Krieg -
nicht nur unbeschadet zu überstehen, sondern seine Popularität in diesem
Zusammenhang auch noch zu steigern, erklärt sich zu einem guten Teil durch
dieses Gespür.
Achtmal am
Hindukusch
Guttenbergs Rede vom »Krieg« in
Afghanistan zielt nicht nur auf die deutsche Öffentlichkeit, sondern auch und
vor allem auf die Bundeswehr selbst. Denn gerade in der Truppe kommt es gut an,
wenn der verantwortliche Minister und Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt -
im Truppenjargon IBUK - den lebensgefährlichen Einsatz so nennt, wie ihn die
Soldaten in Afghanistan tagtäglich erleben. Die haben sich jahrelang im Stich
gelassen gefühlt, waren schockiert vom Duckmäusertum vieler Politiker, die von
der Wirklichkeit des Einsatzes in Afghanistan wenig wussten, wissen wollten
oder aber öffentlich nicht darüber sprachen. Guttenberg kennt diese weit verbreitete
Stimmung.
Sein Gebrauch des Wortes »Krieg«
ist deshalb auch mehr als ein gelungener Schachzug um die richtige Wortwahl. In
Verbindung mit dem Vokabular, das Guttenberg in seinen Reden zur Beschreibung
der in Afghanistan kämpfenden Soldaten verwendet, ist seine Rede vom Krieg
mehr als nur ein Wechsel der Tonalität. 65 Jahre nach
dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der nationalsozialistischen Herrschaft gibt
es in Deutschland auf einmal öffentlich wieder, was es seitdem nicht geben
durfte: tapfere patriotische Soldaten, die als Helden in einem Krieg gefallen
sind. Kriegshelden also. Guttenberg rehabilitiert damit einen Begriff vom
Soldaten und vom Soldatentod, der seit der Säkularisierung und der Französischen
Revolution in Europa gang und gäbe geworden war. Der Soldat war nicht mehr
Söldner in einem Krieg, der für einen Herrscher und in dessen Namen geführt
wurde, sondern er kämpfte aus innerer Überzeugung für eine Gemeinschaft, die
Nation. Sein Tod im Krieg wurde dadurch zum Heldentod, zum Opfer für die
Nation. Durch den Zweiten Weltkrieg und den Nationalsozialismus schien diese
Idee für immer in Verruf geraten. Guttenberg knüpft nun an die Zeiten vor 1945 an, nicht
systematisch, aber en passant. Eigentlich hätten die Pazifisten bei den Grünen
und den Sozialdemokraten in Rage geraten müssen, denn eine Heroisierung
deutscher Soldaten müsste ihnen ein Greuel sein. Doch seltsamerweise geschieht
nichts dergleichen. Kein Hans-Christian Ströbele drischt auf den
Verteidigungsminister ein.
Dabei zeigt Guttenberg wie kein
Verteidigungsminister zuvor, dass er sich für seine Soldaten im »Krieg«, für
die mehr als
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