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Lokalderby

Titel: Lokalderby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Beinßen
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zu erfahren: »Nun sind Ihre Kicker aber in der Ersten Liga angekommen, egal, ob aus Versehen oder nicht. Stehen sie mit den anderen jetzt auf Augenhöhe?«
    Helmut schüttelte behäbig seinen beachtlich großen Kopf. »Spielerisch vielleicht. Aber sonst . . . – nein, das wird niemals geschehen. Die Nürnberger blicken nach wie vor auf uns herab.«
    »Wie äußert sich dieses › Herabblicken ‹ denn konkret?«
    Helmut musste eine Weile nachdenken, was er dafür nutzte, sich die nächste Zigarette anzuzünden. An der hatte er aber nur kurz seine Freude, denn erneut touchierte der Ball ihren Tisch, prallte von der Platte ab und traf Helmut am Kinn. Die Kippe flog ihm aus dem Mund und landete auf dem geschotterten Boden.
    Sofort eilte eine Frau vom Nachbartisch herbei. »Felix und Philip, jetzt ist Schluss!«, schimpfte sie die beiden Nachwuchskicker und entschuldigte sich bei Helmut.
    Der winkte ab. »Halb so schlimm«, nuschelte er, fingerte in der Schachtel nach einer weiteren Zigarette und fand schließlich ein passendes Beispiel als Antwort auf Pauls Frage: »Im vorletzten Winter habe ich auf dem Christkindlesmarkt in Nürnberg für einen Freund von mir, der genauso fußballbesessen ist wie ich, ein Zwetschgenmännla im Fußballdress der Fürther gesucht. Es war so, als würde ich in einem Zoogeschäft nach einer Mausefalle fragen. Der Standbesitzer sagte mir direkt ins Gesicht, dass er nur Erstligisten als Zwetschgenmännla verkauft. Da bin ich schon sehr gespannt, wie die sich nächstes Weihnachten herausreden, wenn ich ihnen ihre eigene Argumentation um die Ohren haue.«
    »Mit anderen Worten: Die Nürnberger nehmen die Fürther nicht für voll. Steigt einem da nicht manchmal die Galle hoch?«
    »Klar. Kann schon Vorkommen, dass wir Fürth-Fans mal heftig über die Nachbarn herziehen . . .«
    ». . . und hin und wieder die Fäuste sprechen lassen?«, fragte Paul nun ganz konkret.
    »Nein. Das ist nicht unser Ding. Damit würden wir uns ja auf das Niveau der Nürnberger begeben.«
    Dies nahm Hermann zum Anlass, das vertrauliche Gerücht über die tödlichen Kleeblätter in Buggis Mund auszuplaudern, was zur Folge hatte, dass Helmuts Gesichtsfarbe noch rosiger wurde.
    Paul beeilte sich, dieses pikante, jedoch unbestätigte Detail herunterzuspielen, indem er sagte: »Um dieses dumme Gerücht über rächende Fürther ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen, bitte mal Klartext: Wäre eine solche Racheaktion dem harten Kern der Fans zuzutrauen? Sicher nicht, oder?«
    »Mmm«, brummte Helmut und nahm sich wieder Zeit zum Nachdenken. Dabei schielte er auf Felix und Philip, die sich den Ball von ihrer Mutter zurückerobert hatten. »Ich bin ja quasi im Schatten des Ronhofs aufgewachsen. Vorbeiziehende Horden bin ich gewohnt und ein paar zerbrochene Bierflaschen und grölende Jugendliche bringen mich nicht aus der Ruhe. Die gibt’s hüben wie drüben. Dass unsere Jungs eine große Klappe haben, wenn sie über die Nürnberger herziehen, ist auch normal.«
    »Aber?«
    »Aber? Das, was die Nürnberger uns geliefert haben, als sie vor einigen Jahren beim sogenannten Marsch auf Fürth durch die Innenstadt marodiert sind, glich einer ausgewachsenen Straßenschlacht. Der Angriff war völlig überraschend, und ja, das kam einem Tabubruch gleich. So weit war bis dahin niemand gegangen, weder die Nürnberger noch wir Fürther.«
    »Ein Tabubruch, der vergolten sein will?«
    »Ganz von der Hand zu weisen wäre das nicht. Es stand ja noch einmal Spitz auf Knopf, als nach dem 1:o-Triumph des Kleeblatts im Pokalachtelfinale Ende 2011 über 100 Club-Fans aus ihrer Kurve ausbrachen und versuchten, den Fürther Block zu stürmen. Wenn es ihnen gelungen wäre, hätte es mehr als nur ein paar blaue Augen gegeben. Solche Aktionen bleiben im Gedächtnis.« Er beugte sich zu Paul vor: »Sie sollten sich mal in Fürth umhören und die Treffs der Kleeblatt-Fans besuchen: den Gelben Löwen zum Beispiel oder die Kaffeebohne. Von den Stammgästen dort wünscht manch einer den Nürnbergern die Pest an den Hals, und das ist noch die mildeste Variante ihrer Unmutsäußerungen.«
    »Aber reicht die Rivalität wirklich bis zu Mord?«, zweifelte Paul.
    »Ich will es nicht hoffen«, meinte Helmut und hieb mit der Faust auf den Tisch. »Mich ärgert das Ganze kolossal! Eigentlich sollten alle jubeln, dass es hier endlich zwei Erstligaklubs gibt. Aber diese paar Chaoten auf beiden Seiten machen alles kaputt.« Ebenso plötzlich, wie ihn der Zorn

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