Lokalderby
einigen zarten bis harten Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht, hatte sie einen großen Schritt in Richtung des Erwachsenwerdens getan und stand fest auf dem Boden der Realitäten. So hübsch sie auch sein mochte mit ihrem weichen Gesicht und den blonden Engelslöckchen, die ihr vor vielen Jahren die Rolle des Nürnberger Christkinds beschert hatten, so wenig sollte sich jemand von ihrer Schönheit blenden lassen und ihre Charakterstärke unterschätzen. Denn auf Hannahs schlankem Hals saß ein ausgesprochener Dickkopf.
Dankend nahm sie Jan-Patricks Einladung zum Essen an, als sie auf Pauls Fotoprints aufmerksam wurde. »Das ist doch . . . – weiß Mama, dass du solche Bilder herumzeigst?«, fragte sie Paul entgeistert.
»Sie hat mich sogar dazu ermuntert«, antwortete er mit überlegenem Lächeln. »Na ja, zumindest indirekt.«
Hannah sah ihn zweifelnd an und fegte ein paar verirrte Locken aus ihrer Stirn. »Wer’s glaubt, wird selig.« Dann knöpfte sie sich die Bilder vor. »Da hast du ja einen guten Teil der Club-Prominenz abgelichtet. Und die waren alle dabei, als Buggi sein Leben aushauchte?«
Paul bestätigte: »Es verbreitete sich ja wie ein Lauffeuer, dass es mit Buggi zu Ende ging. Und wegen des laufenden Spiels waren ohnehin alle in der Nähe.«
Hannah nickte flüchtig und studierte weiter die Bilder. »Kommst du denn voran mit deiner Detektivarbeit?«, erkundigte sie sich.
»Wie man’s nimmt. Ich gehe der ein oder anderen Spur nach und spreche mit verschiedenen Leuten.«
»Auch mit den Kickern?«
»An die kommt man ja so schwer ran«, sagte Paul ausweichend.
»Versuch es doch wenigstens.«
»Nee. Die lassen mich doch abblitzen, wenn die hören, dass ich kein Kripomann, sondern bloß Fotograf bin.«
Hannah blieb still, und es machte den Eindruck, als würde sie ihm zustimmen. Doch dann drückte sie ihren Zeigefinger auf den Kopf einer Frau, die ganz am Rand eines der Bilder zu sehen war. »Dann probier es mal bei der!«, bestimmte sie. »Das ist Svetlana. Ein heißer Feger und nebenbei die Flamme von Sakowsky.«
»Ich habe von ihr gehört«, meinte Paul, der Sakowskys Braut ja selbst schon auf dem Foto identifiziert hatte, äußerst verhalten.
»Mach dich an sie ran!«, stachelte seine Stieftochter ihn an. »Ich meine natürlich nicht zu sehr, sondern nur so platonisch. Jedenfalls findest du über die Spielerfrauen am leichtesten den Zugang zu den Spielern selbst.«
»Meinst du?«
»Na sicher!«
»Wie, wo und wann soll ich diese Svetlana denn treffen?«
Hannah brauchte nicht lange, um auch auf diese Frage eine Antwort zu finden: »Svetlana hängt dauernd im Mach 1 rum. Sie ist eine waschechte Discomieze. Es würde mich sehr wundern, wenn sie nicht auch heute dort abhängen würde.«
»Heute?« Paul fühlte sich überfahren. Hannahs jugendliches Tempo kam ihm wieder mal viel zu flott vor.
»Na klar! Das ist deine Chance, Paul Flemming! Außerdem wirst du zu Hause eh nicht gebraucht, denn ich gehe mit Mama ins Kino. Du kannst also ungestört Detektiv spielen und Svetlana aushorchen.«
»Ich weiß nicht, ob das wirklich eine gute Idee ist«, maulte er mit eingezogenem Kopf.
»Aber sicher! Jetzt denk dir keine Ausreden aus, sondern ran an den Speck!«
»Nein, nicht an den Speck, sondern ans Ratatouille«, mischte sich Jan-Patrick ein. »Das ist nämlich fertig.«
7
Gut, für einen Abstecher ins Mach 1 sprach, dass Nürnbergs Pendant zum Münchner P1 in fußläufiger Nähe lag, denn bis in die Kaiserstraße brauchte er keine zehn Minuten.
Nachdem Paul sich ausgiebig bei Jan-Patrick gestärkt und noch eine halbe Flasche Iphofener Silvaner genossen hatte, um die Zeit bis zum späten Abend zu überbrücken, reihte er sich in die Schlange der Wartenden ein, die um Einlass in den angesagtesten Club der Stadt baten. Dieser musste nach Pauls Empfinden bald so alt sein wie das Dürerhaus. Zumindest gab es das Mach 1 schon ewig, aber etliche Verjüngungskuren, der Einsatz von namhaften DJs sowie ein stabil hoher Promianteil unter den Gästen sorgten dafür, dass es nach wie vor eine »hippe Location« war, wie es Hannah ausdrücken würde.
Entgegen seiner Befürchtung fiel Paul in der Schlange nicht weiter auf, denn sein obligatorischer Style – schwarze Jeans, schwarzes Poloshirt – galt als zeitlos modisch und das Silber, das sich unübersehbar in sein Haar gemischt hatte, trugen auch einige andere, die im Gegensatz zu ihm allerdings in – junger – weiblicher Begleitung
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