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Lokale Erschuetterung

Lokale Erschuetterung

Titel: Lokale Erschuetterung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Gerlof
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und sucht die Ikea-Tüte mit der Bettwäsche. Schwarze Bettwäsche und ein orangefarbenes Spannlaken. Er klappt die Schlafcouch aus und baut ein Bett. Holt Veronika, zieht sie aus und legt sie hin. Drückt ihr einen Kuss auf und sagt, schlaf jetzt, ich lauf noch eine Runde. Bin bald wieder da. Nimmt den Schlüssel und geht. Morgen ist ja wohl auch noch ein Tag, denkt er. Da kann man überlegen, was zu tun ist.
    Er läuft über den Marktplatz und zurück. Noch einmal das Ganze, und beim dritten Mal ist sein Kopf dunkelviolett gefüllt. Sie hat ein Kind und ich hab keins. Wenn das mal nicht ungerecht ist. Wenn das mal nicht eine richtige große gequirlte Scheiße ist.
    Er steht vor der Kneipentür und sieht tatsächlich zum ersten Mal den Namen. Scharfe Ecke. Obwohl er schon acht lange Wochen hier lebt. Wer ist denn auf diesen Namen gekommen? Er stößt die Tür auf und geht rein. Das ist sein zweiter Besuch. Immer wenn er davorgestanden hatte in den letzten Tagen, ist er wieder abgedreht. Hatte keine Lust auf den asiapfanneliebenden Glatzkopf. Jetzt geht er rein, und da sitzt die Glatze an der gleichen Stelle, als hätte sie sich in all den Tagen nie bewegt. Als wär dem Typen die Welt ringsum egal.
    Hanns stellt sich an den Tresen, nickt dem Wirt zu, der diesmal keine Fragen hat, und bestellt ein Bier. Der Glatzkopf guckt rüber und sagt Tach. Auch mal wieder hier.
    Es ist eine Feststellung und keine Frage.
    Wut wegspülen, sagt Hanns und schaut, ob das was tut bei seinem Tresennachbarn.
    |195| Kenn ich gut. Kenn ich sehr gut. Da bist du hier genau richtig, Kumpel. Der Pitbull zeigt dem Wirt an, er möge noch zwei Bier klarmachen. Eins für ihn und eins für seinen wütenden Freund hier. Hanns ist es egal. Er will nur ein bisschen betrunken werden und sich dann neben Veronika legen. Schlafen bis morgen früh, und dann sieht doch bekanntlich alles schon wieder viel besser aus. Mit diesem Großmutterspruch ist auch er aufgewachsen. Und der tröstet jetzt so wenig wie früher. Morgen früh, wenn Gott will, wird er mit der gleichen Scheiße im Kopf aufwachen, mit der er schlafen gegangen ist.
    Hältsn von den Wasserpreisen hier, will sein Nachbar wissen. Hanns schreckt kurz auf.
    Zu hoch natürlich. Sagen ja alle. Aber es gibt keine Alternative, also muss man damit leben.
    Scheißkapitalisten. Scheißmonopolisten.
    Hanns guckt und traut sich zu fragen: Du bist jetzt aber kein Linker, oder?
    Sein Nachbar dreht den Kopf so, dass sie sich in die Augen schauen. Die Augen vom Glatzkopf sind grün, und wenn man es recht betrachtet, ziemlich schön. Hatn das damit zu tun?
    Hanns nickt. Gar nichts. Auf die Scheißkapitalisten kann schimpfen, wer will.
    Ich bin ein Rechter, sagt der Glatzkopf, und der Wirt poliert Biergläser und hört zu. Alle, die hier drin sitzen, sind Rechte. Kann sein, dass sich da mal jemand verirrt. So wie du. Aber sonst. Wir haben keine Lust auf diesen ganzen Scheiß hier. Die EU macht unsere Landwirtschaft kaputt, die Banken zocken uns ab, die Lehrer bringen unseren Kindern nur Scheiße bei, und der Bürgermeister ist ein Weichei.
    Wieso ist der ein Weichei?
    Anstatt die Blocks hinten an der Külzstraße abzureißen, |196| weil da eh keine Sau mehr wohnen will, steckt der da Russen und irgendwelches Balkangesocks rein.
    Wo sollen die Russen denn hin?
    Kann er ja in der Stadt verteilen. Wenns nicht zu viele sind.
    Hanns ist ein wenig sprachlos. Irgendwie ist der Typ nicht zu greifen. Gegen die Russen hast du nichts?
    Sind gute Deutsche, grinst der Pitbull. Habens im Blut, wie man sich benimmt. Da, sprich mal mit Bosse. Der kann dir das gut erklären. Das Nicken des Glatzkopfs gilt einem schmalen Hüpfer mit Haaren, die aussehen, als wären sie für teuer Geld so unordentlich gelegt worden. Bosse sitzt an einem Tisch mit zwei anderen Jungs, die wie Studenten wirken und tatsächlich Wein trinken. Hanns hätte gedacht, dass es hier nicht mal Rosenthaler Kadarka gibt in dieser Kneipe, die so ostig ist wie das ganze Land ringsum. Die drei aber, Bosse und zwei andere, trinken Wein und diskutieren.
    Bosse, ruft der Glatzkopf, und der Junge hebt den Kopf. Komm mal her und erklär meinem Freund hier, warum wir gegen die Scheißkapitalisten sind.
    Bosse steht auf und kommt zum Tresen. Nickt Hanns zu und sagt: Du bist doch der Redakteur.
    Das ist eine Feststellung und keine Frage, darauf muss er nicht antworten.
    Wir haben hier so einen Redezirkel, treffen uns einmal im Monat. Wenn du willst, kannst du gern mal

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