Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
Vom Netzwerk:
ich meiner Tochter dem Schulmädchen ins Haus folge, ohne mir meine gierige Eile anmerken zu lassen (mir sogar die Zeit nehme, die Füße auf der Matte abzutreten). Wie er mit Dolly zum Zahnarzt geht - strahlend lächelt die hübsche Schwester sie an - alte Zeitschriftenhefte - ne montrezpas vos dschambes. Wenn er mit Dolly zum Dinner in der Stadt ist, sieht man Mr.  Edgar H. Humbert sein Steak auf europäische Art mit Messer und Gabel essen. In doppelter Ausführung, beim Anhören eines Konzerts: wie zwei marmorgesich-tige, gesetzte Franzosen nebeneinander sitzen, Monsieur H. H.s musikalisches kleines Mädchen zur Rechten ihres Vaters und der musikalische kleine Junge von Professor W. (Vater verbringt einen hygienischen Abend in Providence) zu Monsieur G. G.s Linker. Wie er die Garage öffnet, ein Lichtviereck den Wagen überflutet und dann erlischt. Wie er in farbenfrohem Pyjama die Jalousie in Dollys Schlafzimmer herunterzuckelt. Wie er am Samstagmorgen, ungesehen, auf der Badezimmerwaage feierlich die wintergebleichte Maid wiegt. Am Sonntagvormittag - also ist er doch kein Kirchgänger - sieht und hört man, wie er zu der zum Hallentennis strebenden Dolly sagt, komm nicht zu spät nach Hause. Wie er einer merkwürdig scharf beobachtenden Schulkameradin von Dolly die Haustür öffnet: «Das erste Mal, daß ich einen Mann in Hausjacke sehe, Sir - außer im Film natürlich,»

9
    Ihre Freundinnen, auf deren Bekanntschaft ich mich gefreut hatte, waren im allgemeinen eine Enttäuschung. Es gab eine Opal Soundso und eine Linda Hall und Avis Chapman und Eva Rosen und Mona Dahl (außer einem sind alle diese Namen natürlich nur annähernd die richtigen). Opal war ein schüchternes, plum-pes, bebrilltes, bepickeltes Wesen, das Dolly anhimmelte, die sie tyrannisierte. Mit Linda Hall, der Tennismeisterin der Schule, spielte Dolly mindestens zweimal die Woche Einzel: Ich vermute, daß Linda ein echtes Nymphchen war, aber aus unbekannten Gründen kam sie nicht zu uns ins Haus - durfte sie vielleicht nicht kommen; daher ist sie mir nur als ein Strahl naturhafter Sonnigkeit in einer Tennishalle in Erinnerung. Von den übrigen konnte außer Eva Rosen keine Anspruch auf Nymphchenschaft erheben. Avis war ein pummeliges, etwas schiefes Kind mit behaarten Beinen, während Mona, wenn auch auf grobsinnliche Art hübsch und nur ein Jahr älter als meine alternde Geliebte, offenbar schon lange aufgehört hatte, ein Nymphchen zu sein, falls sie je eines gewesen war. Eva Rosen andererseits, ein Flüchtlingsmädchen aus Frankreich, war ein gutes Beispiel für ein nicht auffallend schönes Kind, in dem der scharfsichtige Amateur dennoch einige Grundelemente des Nymphchenzaubers ausmachen kann, etwa die noch kaum entwickelte ideale Figur, der merkwürdig befangen machende Blick und die hohen Backenknochen. Ihr glänzendes Kupferhaar war so seidig wie das Lolitas, und die Züge ihres zarten, milchweißen Gesichts mit den rosa Lippen und Silberfischchenwimpern waren weniger fuchsähnlich als bei ihresgleichen, dem großen Clan intrarassischer Rotschöpfe; sie trug auch nicht deren grüne Uniform, sondern, soweit ich mich ihrer entsinne, eine Menge Schwarz und dunkles Kirschrot - einen sehr schicken schwarzen Pullover zum Beispiel und schwarze Schuhe mit hohen Absätzen und granatroten Nagellack. Ich sprach Französisch mit ihr (sehr zu Los Ärger). Die Aussprache des Kindes war noch wunderbar rein, aber für Schule und Spiel verfiel sie in die amerikanische Umgangssprache, und da schlich sich ein leichter Brooklyn-Akzent ein, der bei einer kleinen Pariserin, die eine exklusive Neu-England-Schule mit pseudobritischen Ambitionen besuchte, drollig wirkte. Obwohl «der Onkel von diesem französischen Kid Millionär» war, ließ Lo Eva aus irgendeinem Grund fallen, ehe ich Zeit hatte, ihre duftige Anwesenheit im gastlichen Haus der Humberts auf meine bescheidene Art zu genießen. Der Leser weiß, wie sehr mir daran lag, einen Schwärm von Mädchenpagen - Trostpreis-Nymphchen - um meine Lolita zu sehen. Eine Weile bemühte ich mich, meine Sinne für Mona Dahl zu interessieren, die oft im Haus war, besonders während des Frühjahrsquartals, als bei ihr und Lo diese große Begeisterung fürs Theaterspielen ausbrach. Ich habe mich oft gefragt, welche Geheimnisse die empörend treulose Dolores Haze Mona anvertraut haben mochte, hatte sie doch - nach heftigem Drängen und hoher Bestechung- einige wirklich unglaubliche Einzelheiten über eine Affaire

Weitere Kostenlose Bücher