Lolita (German)
Sprachrohr gelegt und vertraulich darübergebeugt, blinzelte zu mir herüber, drehte sich mit ihrem Schatz um, hängte eilig ein und kam mit einer schwungvollen Wendung heraus.
«Hab versucht, dich zu Hause zu erreichen», sagte sie strahlend. «Ein großer Entschluß ist gefaßt. Aber erst bestell mir was zu trinken, Papi.»
Sie sah zu, wie das lustlose, blasse Mädchen an der «Sodafontäne» die Eiswürfel in ein hohes Glas tat, die Cola darüberfüllte, den Kirschsirup dazugab - und mein Herz brach vor Liebesleid. Dies kindliche Handgelenk. Mein entzückendes kleines Mädchen. Sie haben ein entzückendes kleines Mädchen, Mister Humbert. Wir geraten immer in Entzücken, wenn sie vorübergeht. Mister Pim sieht zu, wie Pippa das gräßliche Gemisch schlürft.
J'ai toujours admiré l'œuvre ormonde du sublime Dublinois. Und unterdessen war der Regen zu einer wollüstigen Dusche geworden.
«Hör mal», sagte sie vom Rad her, auf dem sie langsam neben mir herfuhr, mit einem Fuß auf dem dunkelglänzenden Bürgersteig schurrend, «hör mal, ich habe einen Entschluß gefaßt. Ich möchte von der Schule. Ich hasse diese Schule. Ich hasse das Stück, wirklich, ich hasse es! Nie wieder hingehen. Eine andere suchen. Sofort hier weg. Wieder eine lange Reise machen. Aber diesmal gehen wir dahin, wo ich hinwill, ja?»
Ich nickte. Meine Lolita.
«Ich bestimme? C'est entendu?» Sie schwankte neben mir her. Sprach nur französisch, wenn sie ein ganz besonders braves kleines Mädchen war.
«Okay, Entendu. Und jetzt hopp-hopp-hopp, Le-nore, sonst wirst du klitschnaß.» Ein Sturm von Schluchzern tobte in meiner Brust.
Sie entblößte ihre Zähne, beugte sich in ihrer himmlischen Schulmädchenmanier vornüber und sauste fort, mein Vögelchen.
Miss Lesters wohlgepflegte Hand hielt eine Verandatür für den watschelnden, alten Hund offen, qui prenait son temps.
Lo erwartete mich an der gespenstischen Birke.
«Ich bin pudelnaß», rief sie mir mit lauter Stimme zu. «Freust du dich? Zum Teufel mit dem Stück! Verstehst du, was ich damit sagen will?»
Eine unsichtbare Hexenklaue riß ein Fenster im Obergeschoß herunter.
In unserer Diele, in der Willkommenslichter strahlten, schälte sich Lolita aus ihrem Sweater, schüttelte ihr Funkeltropfenhaar, streckte mir zwei nackte Arme entgegen, hob ein Knie: «Bitte, trag mich nach oben. Mir ist heute abend irgendwie romantisch zumute.»
Physiologen mag es interessieren, bei dieser Gelegenheit zu erfahren, daß ich fähig bin - ein höchst seltener Fall, nehme ich an-, während des anderen Sturms Tränenströme zu vergießen.
15
Die Bremsen waren neu belegt, die Wasserrohre gereinigt, die Ventile nachgeschliffen, und der technisch nicht sehr begabte, aber vorsorgliche Papa Humbert hatte auch noch eine Anzahl anderer Reparaturen und Verbesserungen bezahlt, so daß der Wagen der verstorbenen Mrs. Humbert in respektabler Form war, um eine neue Reise anzutreten.
Wir hatten der Beardsleyer Schule, der guten alten Beardsleyer Schule versprochen, daß wir zurück wären, sobald mein Hollywood-Engagement abgelaufen sei (Humbert der Erfindungsreiche sollte, wie ich an-deutete, dort als Hauptberater für einen Film tätig sein, der etwas mit «Existentialismus» zu tun hatte, damals noch eine heiße Sache). In Wirklichkeit spielte ich mit dem Gedanken, heimlich über die mexikanische Grenze zu huschen - ich war jetzt mutiger als letztes Jahr - und mich dort zu entscheiden, was ich mit meiner kleinen Konkubine anstellen sollte, die nunmehr 1 Meter 52 groß war und über 40 Kilo wog. Wir hatten unsere Reiseführer und Straßenkarten wieder ausgegraben. Sie hatte mit Rieseneifer unsere Route eingezeichnet, War es der Theaterspielerei zuzuschreiben, daß sie aus ihrem jugendlichen gekünstelten Überdruß herausgewachsen und so bezaubernd inbrünstig darauf aus war, die reiche Wirklichkeit zu erkunden? Ich fühlte mich schwerelos wie in gewissen Träumen, als wir an jenem blassen, aber warmen Sonntagmorgen Professor Chems verdutztes Haus verließen und die Main Street entlang auf die vierspurige Fernstraße zufuhren. Das schwarz-weiß gestreifte Baumwollkleid, die kecke blaue Mütze, die weißen Socken und braunen Mokassins meiner Geliebten paßten nicht recht zu dem großen, schön geschliffenen Aquamarin, der an einem Silberkettchen ihren Hals zierte: ein Frühlingsregengeschenk von mir. Wir kamen am New Hotel vorbei, und sie lachte. «Einen Penny für deine Gedanken», sagte ich, und
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