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Lolita (German)

Lolita (German)

Titel: Lolita (German) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Nabokov
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die barfüßige Dolores, außer sich über seine Anmaßung, Mona (karierte Hose) schließlich zu der väterlichen Farm hinter dem Wald der Gefahren führt, um dem Angeber zu beweisen, daß sie nicht eines Dichters Trugbild sei, sondern ein ländliches, fest auf der braunen Erde stehendes Mädel - und ein Kuß kurz vor dem Schlußvorhang war dazu da, die tiefsinnige Botschaft des Stückes zu bekräftigen, nämlich daß Trugbild und Wirklichkeit in der Liebe miteinander verschmelzen. Ich hielt es für klüger, das Machwerk vor Lo nicht zu kritisieren: Sie war in so gesunder Weise von ihren «Ausdrucksproblemen» in Anspruch genommen, legte ihre schmalen florentini-schen Hände so anmutig aneinander, klimperte mit den Wimpern und flehte mich an, nicht wie manche lächerlichen Eltern zu den Proben zu kommen, weil sie mich doch so gern mit einer perfekten Premiere überraschen wollte - und weil ich sowieso dauernd hereinplatzte und das Falsche sagte und sie in Gegenwart ihrer Bekannten in Verlegenheit brachte.
    Eine Probe ganz eigener Art fand statt... mein Herz, mein Herz ... es war ein Tag im Mai, einer, an dem viel fröhliche Aufgeregtheit herrschte ... alles nahm seinen Lauf, meiner Sicht entrückt, meiner Erinnerung verschlossen ... und als ich Lo am späten Nachmittag wiedersah, wie sie auf ihrem Fahrrad balancierte, die Handfläche gegen die feuchte Borke einer jungen Birke am Rand unseres Rasens gestemmt, da überraschte mich die strahlende Zärtlichkeit ihres Lächelns so sehr, daß ich einen Augenblick lang glaubte, all unser Kummer sei ausgestanden, «Erinnerst du dich an den Namen des Hotels, du weißt schon [Naserümpfen], los, du weißt doch... das mit den weißen Säulen und dem Marmorschwan in der Halle? Klar weißt du [heftiges Ausatmen]... das Hotel, wo du mich vergewaltigt hast. Okay, vergiß es. Ich meine, hieß es nicht [fast flüsternd] Die verzauberten Jäger? Ach ja? [sinnend] Wirklich?» - und mit einem verliebten, frühlingshaften Auflachen schlug sie mit der Handfläche gegen den silbrigen Stamm, raste den Hügel hinauf bis zum Ende der Straße und kam dann zurück, die Füße in Ruhestellung auf den stillstehenden Pedalen, die Haltung entspannt, eine träumende Hand in ihrem geblümten Schoß.

14
    Weil es sich angeblich gut mit ihrem Interesse für Tanz und Theater verband, hatte ich Lo erlaubt, bei einer Miss Empereur (wie wir als Kenner der französischen Literatur sie der Einfachheit halber nennen wollen) Klavierstunden zu nehmen, zu deren kleinem, weißem, etwa eine Meile hinter Beardsley gelegenen Haus Lo zweimal die Woche radelte. Eines Freitagabends gegen Ende Mai (ungefähr eine Woche nach der Probe ganz eigener Art, zu der Lo mich nicht zugelassen hatte), klingelte das Telephon in meinem Arbeitszimmer, während ich dabei war, Gustaves - ich meine Gastons - Königseite aufzuräumen, und Miss Empereur fragte, ob Lo nächsten Dienstag kommen werde, da sie am vergangenen Dienstag und heute ihre Stunden versäumt habe. Ich sagte, sie komme ganz bestimmt - und spielte weiter, Wie sich der Leser vorstellen kann, war meine Denkfähigkeit jetzt beeinträchtigt, und nach einem oder zwei Zügen, als Gaston an der Reihe war, merkte ich durch den Schleier meiner außerschachlichen Verwirrung, daß er meine Dame schlagen konnte; er merkte es ebenfalls, dachte aber, es wäre möglicherweise eine Falle seines verschlagenen Gegners, zauderte eine ganze Minute, pustete und schnaufte, schüttelte seine Hängebacken, warf mir gar verstohlene Blicke zu, machte zögernde halbe Vorstöße mit seinen dicklich gebündelten Fingern - brannte vor Gier, diese saftige Dame zu schlagen, und wagte es doch nicht -, und plötzlich stieß er auf sie herab (wer weiß, ob es ihn nicht gewisse spätere Kühnheiten lehrte?), und ich verbrachte eine langweilige Stunde damit, ein Remis zuwege zu bringen. Er trank seinen Brandy aus und schlurrte, von dem Ergebnis sehr befriedigt, bald davon (monpauvre ami,je ne vous aijamais revu et quoiqtiily ait bienpeu de chances que vous voyiez mon livre, permettez-moi de vous dire que je vous serre la main bien cordialement et que toutes mesßlettes vous saluent) . Ich fand Dolores Haze am Küchentisch, wo sie ein Stück Obstkuchen verschlang, die Augen auf ihren Rollenauszug gesenkt. Mit einer Art himmlischer Ausdruckslosigkeit sah sie zu mir auf. Sie blieb merkwürdig ungerührt, als ich ihr meine Ent-deckung vorhielt, und sagte d'un petit air faussement con-trit , sie wisse selber,

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