Lolita (German)
Bunde waren und auf baskisch oder semfirianisch gegen meine hoffnungslose Liebe konspirierten. Ich gehe noch weiter und sage, daß Lo ein Doppelspiel spielte, indem sie auch die sentimentale Mary zum Narren hielt, der sie vermutlich erzählt hatte, sie wolle lieber bei ihrem lebenslustigen jungen Onkel wohnen als bei mir, ihrem grausamen, trübseligen Vater. Und eine andere Schwester, die ich nie identifizierte, und der Dorftrottel, der Liegen und Särge in den Fahrstuhl karrte, und die schwachsinnigen grünen Wellensittiche in einem Bauer des Wartezimmers - alle, alle hatten teil an der Verschwörung, der gemeinen Verschwörung. Ich nehme an, Mary dachte, der Possenvater Professor Humbertoldi wolle die Liebe zwischen Dolores und ihrem Vaterersatz, dem ldeinen und runden Romeo, hintertreiben (denn du warst in der Tat recht fett, Rom, trotz all dem «Schnee» und «Glückssaft»).
Mein Hals tat weh. Ich stand schluckend am Fenster und starrte auf die Berge, auf den romantischen Fels hoch oben im lächelnden, mitverschworenen Himmel.
«Meine Carmen», sagte ich (so nannte ich sie manchmal), «sobald du aufstehen kannst, werden wir diese offene Wunde von einer Stadt verlassen.»
«Übrigens möchte ich all meine Kleider», sagte die Gitanilla, hob die Knie an und blätterte eine Seite um.
«Weil es wirklich keinen Sinn hat», fuhr ich fort, «hier zu bleiben.»
«Es hat keinen Sinn, irgendwo zu bleiben», sagte Lo-lita.
Ich ließ mich auf einen Kretonnesessel nieder, öffnete das reizvolle botanische Werk und versuchte in der fiebersummenden Stille des Zimmers, darin meine Blumen zu finden. Es erwies sich als unmöglich. Dann erklang irgendwo auf dem Gang ein sanftes, musikalisches Läuten.
Ich glaube nicht, daß es in diesem Prunkkrankenhaus mehr als ein Dutzend Patienten gab (drei oder vier waren Verrückte, wie Lo mich einmal fröhlich hatte wissen lassen), und die Angestellten hatten zuviel freie Zeit. Trotzdem waren die Vorschriften streng - auch das nur, um Eindruck zu machen. Ich gebe auch zu, daß ich mich oft nicht an die Besuchszeiten hielt. Nicht ohne eine versteckt mitschwingende träumerische Hinterlist nahm mich die zu Visionen neigende Mary (beim nächsten Mal wird es «une belle dame toute en bleu» sein, die durch die Brüllende Schlucht schwebt) am Ärmel und führte mich hinaus. Ich sah auf ihre Hand; sie ließ sie sinken. Als ich ging, freiwillig ging, erinnerte mich Dolores Haze daran, daß ich ihr am nächsten Morgen ... Sie wußte nicht, wo die verschiedenen Sachen waren, die sie brauchte ... «Bring mir», rief sie (bereits außer Sicht, Tür schwang zu, fiel zu, war zu), «den neuen grauen Koffer und den großen von Mama»; aber am nächsten Morgen lag ich schon mit Schüttelfrost und volltrunken und sterbend in dem Motelbett, das sie nur ein paar Minuten lang benutzt hatte, und unter den ringförmigen und sich weitenden Umständen konnte ich nicht mehr tun, als ihr durch den Liebhaber der Witwe, einen kräftigen, freundlichen Lastwagenfahrer, die beiden Koffer zu schicken. Ich stellte mir vor, wie Lo ihre Schätze vor Mary ausbreitete...
Zweifellos delirierte ich ein wenig - und auch am Tag darauf war ich noch immer mehr eine Vibration als ein fester Körper, denn als ich aus dem Badezimmerfenster auf den angrenzenden Rasen hinausblickte, sah ich Dollys schönes junges Fahrrad auf seiner Stütze, das graziöse Vorderrad wie gewohnt von mir weggewandt, und auf dem Sattel hockte ein Sperling - aber es war das Rad der Wirtin, und ich lächelte ein wenig und schüttelte meinen armen Kopf über meine zärtlichen Einbildungen, stolperte ins Bett zurück und lag so still wie ein Heiliger - Ein Heil'ger, traun! Indes Dolores -Gebräunt ruht sie im Sonnengrün, Mit Sanchicha liest sie Storys In dem Kinomagazin .,. - das in zahlreichen Exemplaren überall vertreten war, wo Lolita sich niederließ, und in der Stadt wurde irgendein großer Nationalfeiertag begangen, nach den Feuerwerkskörpern zu urteilen, regelrechten Bomben, die fortwährend explodierten, und fünf Minuten vor zwei Uhr nachmittags hörte ich ein Pfeifen, das sich der halboffenen Tür meines Bungalows näherte, und dann bummerte etwas dagegen.
Es war der große Frank. Er blieb im Rahmen der geöffneten Tür stehen, eine Hand am Pfosten, etwas vornübergebeugt.
Howdy. Schwester Lore am Telephon. Wolle wissen, ob's mir besser gehe und ob ich heut käme.
Aus zwanzig Schritt Entfernung schien Frank vor Gesundheit zu strotzen;
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