London Hades
rlich h ä ttest du das. « Nathan presste die Lippen aufeinander.
Er musste etwas falsch gemacht haben. Den meisten M ä nnern mit Geld in der Tasche gefiel es nicht, wenn man ihnen nicht schnell genug den Arsch hinterhertrug. Er hatte nur Nathan bisher nicht so eingesch ä tzt.
Verst ä ndnislos sah Henry den Freund an. Die Spuren des Nachmittages waren noch deutlich in seinem Gesicht zu sehen, er hatte sich offenbar wenig erfolgreich bem ü ht, sie abzuwaschen, bevor er hergekommen war. Immer noch verklebten Blutreste die Platzwunde an seiner Stirn mit einigen Haarstr ä hnen, die sie wohl verdecken sollten. Aber sie verbargen die Wunde ebenso wenig wie die Schwellungen an Wangenknochen und Kieferpartie.
Henry tastete nach seiner Waschsch ü ssel und fand den Wasserkrug gef ü llt vor. » Soll ich dir das Blut abwaschen? « , fragte er vorsichtig.
Nathan zuckte die Achseln. » W ü sste nicht, warum du das tun solltest. «
Offenbar vertrug er keine Freundlichkeit. Henry zwang sich, tief durchzuatmen und jeden bissigen Kommentar herunterzuschlucken. » Ich k ö nnte von Mutter Thompson frisches, warmes Wasser holen, wenn es das ist …«
Er h ö rte den Constable leise lachen, es war mehr ein Ausatmen, das abgehackt die Luft aus Nathans Brust presste.
Vielleicht war es das sch ä bige Zimmer? Hatte er sich Henrys Bleibe anders vorgestellt? Selbst in diesem Moment rieselte Verputz von der morschen Zimmerdecke. Der Schreibtisch aus rotem Kirschbaumholz und der lederbespannte Paravant, der ihn in der Zimmerecke beim Fenster vor den Blicken Eintretender verbarg, waren die einzigen von Henrys Besitzt ü mern, die er vor Ross ’ Habgier in diesen Verschlag hatte retten k ö nnen. Und sie wirkten in der Abgerissenheit des Zimmers reichlich deplaziert.
Er musste Nathan davon ablenken. » Zieh das nasse Hemd aus. Ich gebe dir meinen Banyon. «
Er sp ü rte Nathans Blick in seinem Nacken, als er sich umdrehte, um das Kleidungsst ü ck von seinem Bett zu holen. » Nicht n ö tig « , sagte er, als Henry damit wieder vor ihm anlangte.
» Aber das ist Wollflanell! Sehr angenehm. «
» Nein! «
Was hatte er denn?
Unschlüssig drehte Henry den Banyon in seiner Hand. Dann legte er ihn auf Nathans Knien ab, zog seinen Justaucorps aus und griff nach seinem Hemd. » Hier. « Er zog es sich ü ber den Kopf. » Das hast du mir selbst vor ein paar Tagen gegeben. Vielleicht ist dir das gut genug? «
Nathan starrte das Hemd an, ohne zu antworten. Seufzend drehte Henry sich um, und da, pl ö tzlich, sp ü rte er Nathans Rechte an seinem Handgelenk. Henry fuhr zu ihm herum, aber der Freund r ü hrte sich nicht weiter. Er sa ß zur ü ckgelehnt im Sessel, die Zipfel der gr ü nen Wolldecke waren auf seine Schultern gerutscht und bildeten einen grellen Kontrast zu der blutigen Wunde an seiner Stirn. Er sah Henry an, sein Blick nah an der Grenze zur Ausdruckslosigkeit. Oder war das etwas anderes? Angst? Verunsicherung?
Henry zog die Augenbrauen hoch und wandte sich wieder der Waschsch ü ssel zu, ohne dass Nathan ihn losgelassen h ä tte. Er tauchte mit der Rechten das Tuch, das ü ber dem Porzellanrand hing, in die Sch ü ssel, wrang es leicht aus, bevor er sich zu dem Freund hinunterbeugte und es vorsichtig ü ber dessen Stirn gleiten lie ß .
Nathan schloss die Augen, als der Lappen die Wunde ber ü hrte, aber er lie ß Henry gew ä hren. » Du liest? « , fragte er unvermittelt. Nathan musste die Ü berreste seiner Bibliothek auf dem Brett ü ber seinem Schreibtisch gesehen haben.
Henrys Blick wanderte kurz zu den B ü chern hin ü ber. » Geschenke von Kunden. Es waren mal mehr. – Ist das so ungew ö hnlich? «
» Nein! Nein, ich wollte damit nicht andeuten, dass du … Vergiss es. «
Am liebsten h ä tte Henry die Augen verdreht, stattdessen entschied er sich f ü r einen pr ü fenden Blick auf die Wunde. » Der Schnitt ist nicht tief. Es wird schnell verheilen « , stellte er fest. Da Nathan die Augen immer noch geschlossen hielt, seine Finger nach wie vor nicht bereit waren, Henrys Handgelenk freizugeben, und sich allm ä hlich Hilflosigkeit in ihm breitzumachen begann, wusch Henry das Tuch mit der freien Hand noch einmal im Wasser aus. Er ging vor Nathan in die Hocke, um auch den Rest seines Gesichts zu s ä ubern.
» Tu das nicht. «
» Was? «
» Vor mir knien. «
Was waren das f ü r Spielchen? Seit er ihn kannte, war Nathan nie so einsilbig gewesen. Er hatte sich stets klar ausgedr ü ckt, klar gesagt,
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