London Hades
alles, weil das Opium keine Dunkelheit zuzulassen schien. Das Gift ü berzog ihre Augen mit einem bunten Schleier, der sie blind machte und taumeln lie ß .
Sie schrie verzweifelt auf, kratzte sich ü ber die Lider, weinte um ihren verlorenen Verstand. Warum mochte Gott kein Erbarmen mit ihr haben?
» Frances? «
Das konnte unm ö glich wahr sein! Ein neues Trugbild, aber sicher nicht wirklich Matthews Stimme.
» Frances, bist du das?! «
Das Gift hatte sie so unertr ä glich langsam gemacht. Es war, als k ö nnte sie sich selbst dabei zusehen, wie sie den Mund ö ffnete, um Matthews Namen zu schreien. Doch durch das Tosen in ihrem Kopf verstand sie die Laute, die aus ihrer Kehle kamen, kaum. Sie wollte den entschwindenden Silhouetten folgen, sah wie sie ins Straucheln gerieten, weil sich die Person, die sie zwischen sich herzerrten, wie wild geb ä rdete.
» Frances! «
Er war es wirklich! Es war doch nicht wieder alles Illusion? Er musste es sein. Sie konnte seinen Geruch auf dem Flur wahrnehmen. Und Ihre F üß e brannten in seinen Spuren auf den Treppenstufen, als sie ihm folgte.
W ä re sie doch nur schneller gewesen! Sie h ö rte Matthew poltern und strampeln, weit ü ber ihrem Kopf. Dann endeten seine Protestger ä usche pl ö tzlich. Wohin waren sie gegangen? Hilflos irrte Frances durch das nachtdunkle Haus, ö ffnete T ü ren, wanderte durch menschenleere R ä ume, die mit M ö belst ü cken vollgestopft waren wie ein abgewirtschafteter, aus den N ä hten platzender K ö nigshof. Sie konnte Stimmen h ö ren, Gel ä chter, Ausgelassenheit, aber sie wusste nicht, woher die Laute kamen, denn sie schienen gleichzeitig ü berall um sie herum zu existieren.
Und sie musste immer wieder Pause machen, weil ihr Atem nicht reichte, weil ihr Geist in andere Sph ä ren abdriftete. Als sie schlie ß lich am Ende der letzten Treppe ankam und es nicht mehr weiter nach oben ging, konnte sie nicht einmal sagen, wie sie eigentlich hierhergelangt war.
Aber die Geräusche waren jetzt ganz nah.
Das klang ja wie am Abend in Mr. Primroses Taverne! Sie konnte eine Fiedel h ö ren, und ein vielstimmiger M ä nnerchor sang dazu.
Frances tastete sich vor, stie ß eine Fl ü gelt ü r auf, die sie mitten in ein Traumgespinst aus Phantasie und Wahnsinn entlie ß . Ein weiter Saal ö ffnete sich vor ihr.
Kerzenlicht und die Hitze eines gro ß en Kamins fluteten ü ber eine Schar von M ä nnern in dunklen Kuttengew ä ndern, die in der Mitte des Raumes um einen langen Banketttisch tanzten. Auf dem Tisch bewegten sich ein Fiedler und ein Trommler, deren hektische Rhythmen die Tanzenden antrieb. Und ü ber all dem lag die Melodie eines Liedes, das sie kannte: Ich bin der K önig und Prinz aller Trinker.
Einige kostbare Momente lang f ü hlte sie sich sicher und aufgehoben. So als w ä re sie zur ü ck im George und Vulture , von nichts anderem umgeben, als einer Horde friedlicher Zecher. Doch dann blieb ihr Blick an den Bildern h ä ngen, mit denen die W ä nde so ü berreich bemalt waren. Eines war entsetzlicher als das n ä chste, bildete Dinge ab, die Frances selbst schon in diesem Haus mitangesehen und -geh ö rt hatte. In jedem der Wandgem ä lde tauchte eine zentrale Figur immer wieder auf: der Herr dieses Fegefeuers, triumphierend ob seines Werkes.
Frances ’ F üß e schlugen Wurzeln im Parkett, es ging kein St ü ck weiter. Hitze und Schwei ß gestank der gr ö lenden M ä nner nahmen ihr fast den Atem. Sie h ö rte sich selber lachen. Lachen – obwohl sie wusste, dass sie h ä tte weinen sollen.
» Wen haben wir denn hier? «
Es gelang Frances, ein St ü ck weit den Kopf zu drehen. Sie sah ein Gesicht unter einer Kapuze, erkannte den Mann, der neben sie getreten war. War das nicht Haggerty, Ross ’ Schreiber?
Er wedelte mit der Hand vor ihren Augen. » Siehst du mich, Prinzesschen? «
Sie w ü nschte, sie h ä tte sich aus eigener Kraft r ü hren k ö nnen, ihn anspucken, wegrennen. Aber das Opium gaukelte ihrem K ö rper immer noch in den sch ö nsten Farben W ä rme und Schutz vor, w ä hrend ihre Augen sahen, dass es die nicht gab.
» Das wird dem Lord gefallen! « Haggerty zog sie am Arm in den Saal hinein, mitten durch die Schar der Tanzenden. » Siehst du, wie gut er f ü r uns sorgt? Solche Feste feiern wir st ä ndig « , sagte er.
Als der Fiedler mit seinem Geigenbogen im Takt gegen den Kronleuchter ü ber dem Tisch stie ß , w ä hrend sein Fu ß den Rhythmus der Trommel weiterstampfte, spr ü hte
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