London Hades
Verfolgtwerdens absch ü tteln zu k ö nnen. Es sa ß ihm im Nacken wie etwas Greifbares. Nur die Pistole hinter seinem Hosenbund spendete ihm ein bisschen Sicherheit. Auch wenn er nur einen einzigen Schuss hatte, weil er nicht wusste, wie man das verdammte Ding nachlud, die Waffe f ü hlte sich gut an.
Wenn er den einen Schuss nur gegen Ross richten k ö nnte!
Sah Nathan ihn wirklich noch? Er wagte es nicht, ü ber seine Schulter zur ü ckzusp ä hen. In dieser Umgebung wirkte fast jede Bewegung verd ä chtig. Ungeachtete dessen wurde das Gef ü hl, sich umdrehen zu m ü ssen, w ä hrend der n ä chsten Schritte ü berm ä chtig.
» Nicolas, was treibt Sie in diese Gegend? « Er h ö rte die Stimme im selben Moment an seinem Ohr, in dem sich ein Arm unter den seinen schob und sich bei ihm einhakte. Sein falscher Name war selten mit einem irischeren Akzent ausgesprochen worden. Diese Gegend war voller irischer Einwanderer. Henry h ä tte sich nichts dabei gedacht, w ä re die Hand an seinem Arm nicht zur Fessel geworden, bevor er zu einer Erwiderung ansetzen konnte. Ein weiterer Arm wurde unter seiner anderen Armbeuge hindurchgeschoben.
» Ja, Mister Nicolas, was eigentlich? «
» D ü rfen wir Sie zu einem Spaziergang mitnehmen? «
Da waren sie also. Henry begriff kaum, wie schnell es gegangen war, inmitten einer belebten Gasse. Er war umgeben von Flickschustern, Kleiderh ä ndlern und ä rmlichen Gem ü sest ä nden, dem Stimmengewirr von Verkaufsverhandlungen, dem Geruch nach verdorbenen Lebensmitteln und altem Leder.
Wo war Nathan?
» Was wollt ihr? « , fragte er.
Die M ä nner nahmen sich keine Zeit f ü r eine Antwort, und Henry wagte es nicht, sie anzusehen, in der Bef ü rchtung, Gesichter zu entdecken, die er von fr ü her kannte.
Am Ende der Gasse wurden die M ä nner schneller. Wie ein Pferd im Geschirr bugsierten sie ihn um einige Abzweigung, unter Torb ö gen hindurch, tiefer und tiefer in das undurchdringliche Dickicht aus Gestank und Verwahrlosung, aus lichtlosen Hinterh ö fen und schmutzigen Passagen. Es ging so schnell, dass er selbst nicht sagen konnte, welchen Weg sie genommen hatten. Unruhe schlich sich an ihn heran.
» Lasst mich los! Wer seid ihr? «
» Geht dich nichts an « , lie ß en sie ihn wissen.
Je weiter sie vordrangen, desto tiefer nagte die Panik an Henry. Ohne sein Zutun stemmten sich seine F üß e immer ö fter gegen den lehmigen Untergrund. Seine F ü hrer zogen mittlerweile gewaltsam an ihm, damit er ihnen folgte. Aber Henry konnte nicht anders. Er redete sich ein, er w ü rde sich nur so wehrhaft verhalten, um sie zu verlangsamen, damit Nathan ihnen folgen konnte. Und damit sie glaubten, sie h ä tten ihn unvorbereitet angetroffen.
Oh, verdammt, sie hatten ihn unvorbereitet angetroffen!
Was hatte ihn glauben lassen, es g ä be irgendetwas, dass er Ross und seinen Heerscharen entgegenzusetzen h ä tte? Man marschierte nicht alleine gegen diesen Feind. Er hatte das gewusst. Und es ignoriert.
Immer wieder sagte er sich, dass er es f ü r Frances tat, nur um nicht daran denken zu m ü ssen, dass er Nathans Pr ä senz schon lange nicht mehr in seinem Nacken sp ü rte.
Wo zur H ö lle waren sie hier? Dieses Viertel ver ä nderte so oft sein Gesicht, man konnte morgen nicht wissen, ob es den Weg noch gab, den man heute gegangen war. Ob das Haus, das man eben erst verlassen hatte, in einigen Stunden noch existierte.
Als Henry das n ä chste Mal die F üß e gegen den Boden stemmte, traf ein Fausthieb sein Gesicht, der ihn taumeln lie ß . Er dr ä ngte den Schmerz zur ü ck, den Schleier, der sich vor seinen Augen auszubreiten drohte. In dem Moment, in dem sich die Benommenheit lichtete, lag urpl ö tzlich ein hohes Haus vor ihnen. Eine schmuddelige, ehemals repr ä sentative Fassade erhob sich vor seinen Augen.
Das Bagnio!
Er war so dumm gewesen! Ross hatte sich keinen anderen Ort gesucht. Es hatte ihn wieder in die Benton Street zur ü ckgetrieben, von hier aus hatte er schon vor seinem Aufenthalt in Newgate seine Banden befehligt.
Henrys H ä scher hatten es so eilig, ihn ins Haus zu bugsieren, dass seine F üß e kaum noch den Boden ber ü hrten, weil die beiden ihn fast schon trugen. Er strampelte, versuchte alles, um sie aufzuhalten. Er konnte die Hoffnung nicht aufgeben, Nathan w ä re irgendwo in der N ä he und w ü rde genau beobachten, in welches Haus er gezerrt wurde.
Die T ü r tauchte wie ein g ä hnendes Loch vor ihm auf. Er hoffte auf ein Zeichen,
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