London Hades
«
Matthew riss entsetzt den Kopf von der T ü r zur ü ck. Frances stand neben ihm, in einer Ecke des Verschlages, und beobachtete ihn mit weit ge ö ffneten Augen, seitdem der Tumult im Haus begonnen hatte.
» Was ist denn? « , fl ü sterte sie.
Er konnte ihr nicht sagen, was er geh ö rt hatte. Gehetzt sah er sich nach einer Waffe um.
» Matthew, was hast du geh ö rt? «
Es gab nichts, das er h ä tte benutzen k ö nnen, sie hatten ja nicht einmal Schuhe an. Er konnte versuchen, die T ü r einzurennen, aber damit w ü rde er die M ä nner da drau ß en nur umso schneller auf sie aufmerksam machen. Tausend Ideen rasten durch seinen Kopf, und er verwarf sie alle.
Frances legte die Hand auf seinen Arm, er zog sie an sich, vielleicht ein letztes Mal. Er musste Ruhe bewahren! Aber es fiel ihm schon schwer, seine Hand ruhig zu halten, als er Frances ü ber den Kopf strich.
» Es ist schlimm, oder? «
» Ich bringe uns hier raus! « , fl ü sterte er ihr ins Ohr. » Dir wird nichts passieren. « Er k ü sste sie, sp ü rte das Zittern in ihrem K ö rper und wusste, dass sein eigener rasender Pulsschlag wenig beruhigend auf sie wirken musste.
Doch da fiel sein Blick auf die blaue Stoffbahn am Boden, und eine Idee formte sich in seinem Kopf. Vielleicht w ü rde ihnen das verdammte Ding doch noch von Nutzen sein. Nur ungern l ö ste er sich von Frances, hob den Stoff auf und dr ü ckte ihr einen Zipfel davon in die Hand. » Halt das hier so fest du nur kannst. «
» Was hast du vor? «
» Lass mich nur machen. Wenn sich gleich die T ü r ö ffnet, bleib ganz still, alles h ä ngt davon ab. Nur wenn du lebst, werde ich auch leben. «
Sie lachte seltsam, aber sie stellte keine weiteren Fragen. Er konnte sehen, wie schwer ihr das fiel, weil um sie herum die ersten Entsetzensschreie gellten. Angst, Panik, Sch ü sse, dann dieser kurze, furchtbare Moment der Stille, bevor der n ä chste Verschlag ge ö ffnet wurde. Matthew wusste, wie der Tod klang. Und er n ä herte sich ihnen. Wieviele Leben gab es noch vor den ihren zu nehmen?
Mit erbitterter Wut harrte er aus, z ä hlte innerlich bis drei, als der Schl ü ssel sich endlich im Schloss ihres Gef ä ngnisses drehte. Kaum hatte sich vor ihnen ein Spalt gebildet, sprang er vor ins flackernde Licht des Flures. Er wich der Pistole aus, deren Lauf sich auf ihn richtete, warf sich auf die Kutten tragenden M ä nner vor ihm. Seine ü ber Wochen aufs Stehlen trainierten H ä nde fanden ein Messer am K ö rper eines Angreifers. Seine Linke brachte es an sich, w ä hrend er die Rechte hochriss und die Stoffbahn ü ber die M ä nner zog. Die beiden versuchten, den Stoff abzuwehren, aber sie verstrickten sich nur umso tiefer darin.
Ein Schuss l ö ste sich. Matthew riss den Kopf zu Frances herum. Ihr war nichts geschehen, und sie hielt ihr Ende des Stoffes so stramm sie konnte, aber ihre entsetzten Augen waren auf die Toten auf dem Flur fixiert. Ihr Verschlag war der letzte hier unten, und es sah nicht so aus, als g ä be es au ß er ihnen noch weitere Ü berlebende.
Matthew k ä mpfte selbst mit der Ü belkeit, als er Frances zu sich hin ü berzog. Sie taumelte auf ihn zu, presste die Faust auf den Mund, um nicht zu schreien.
Sie machte ein, zwei unsichere Schritte, bis Matthew sie schlie ß lich mit sich fortriss. Er wusste, dass der Stoff die M ä nner nicht lange aufhalten w ü rde, aber immerhin kannte er diesen Gang mittlerweile. Sie w ü rden nicht den Weg zum Haupttreppenhaus nehmen, wo der Kampf im Obergeschoss besonders laut zu toben schien. Es gab noch eine kleinere Treppe, die zu den Versorgungswegen der Dienstboten f ü hrte. In diese Richtung rannten sie.
Er hatte nicht damit gerechnet, dass das Wutgeheul der verhedderten Kerle einen ihrer Kameraden anlocken w ü rde. Der Mann bog um die Ecke, als sie die Dienstbotentreppe erreichten. Matthew sprang vor, schmetterte ihm seine Faust entgegen und fegte den Mann damit von den F üß en.
Doch die Erleichterung w ä hrte viel zu kurz. » Jetzt seid ihr dran! « , br ü llte es hinter ihnen.
Matthew brauchte nicht zur ü ckzublicken, um zu wissen, dass die anderen beiden sich befreit hatten. Jetzt gab es nur noch eine M ö glichkeit. Er musste sie aufhalten.
» Lauf! « , schrie er Frances an und schob sie vorw ä rts. » Lauf ins Erdgescho ß und versuch, durch eines der Fenster zu entkommen! « Er sah sie z ö gern. Er hasste es, sie gehen zu lassen, und dennoch dr ä ngte er sie weiter: » Bitte geh! Ich
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