London Hades
Taschentuch ganz pl ö tzlich vor ihrer Nase auftauchten, sah sie diese kaum. Doch das Rascheln der wei ß en Spitze vor ihr und der Geruch von Bier rissen sie ins Jetzt zur ü ck. Sie griff nach dem Taschentuch und schn ä uzte sich, w ä hrend sich der Mann mit dem franz ö sischen Namen wieder neben sie setzte.
» Das war n ö tig, hm? «
Sie nickte und wischte sich mit dem Tuch ü ber die Augen.
» Schlechten Tag gehabt? « Er gab ihr Zeit, noch einmal zu nicken, dann erschien wieder der Becher vor ihrer Nase. » Meiner war auch nicht so besonders. Ein wenig Bier macht alles besser. «
Da war Frances sich nicht so sicher, dennoch griff sie nach dem Becher. Sie wollte nicht unh ö flich sein, also nippte sie vorsichtig daran. Das Bier schmeckte ungewohnt gut. Matthew hatte ihr einmal welches zu trinken gegeben. Er hatte es in einem gro ß en Krug im Alehouse geholt und zu einem ihrer heimlichen Leseabende in Mr. Pritches Stall mitgebracht. Sie hatte an Matt gelehnt im Heu gesessen und seine nach Sommerluft duftende Haut gerochen, w ä hrend er ihr aus Henry Fieldings Shamela vorlas, bis sie Tr ä nen lachte.
Heute Abend schmeckte das Bier wesentlich besser als damals. Es sp ü lte den schmerzhaften Gedanken an Matthew so wunderbar aus ihrem Kopf hinaus.
» Du bist doch das M ä dchen, das uns heute Morgen vor die F üß e gefallen ist, nicht? «
Sie schniefte und nahm noch einen tiefen Schluck aus dem Krug. » Euch? « Aus all den furchtbaren Erlebnissen konnte sie diese Erinnerung kaum herausfischen.
» Am Strand , heute Vormittag. Mein …« Der junge Mann lachte seltsam, »… ein Freund. Nathan und ich haben uns unterhalten, als du in mich hineingestolpert bist. Ich habe dich aufgefangen. «
Der entsetzliche Akzent! Nat ü rlich, der affektierte Geck mit dem aufdringlichen Parfum. Schon wieder stach ihr sein blumiger Geruch in die Nase. » Oh « , sagte sie. » Ja, ich erinnere mich. Es tut mir leid. Ich habe Sie nicht sofort erkannt. « Verheult wie sie war, h ä tte sie im Moment nicht einmal den Teufel erkannt, h ä tte er direkt vor ihr gestanden. Sie griff wieder nach dem Taschentuch und wischte sich hektisch ü ber die Augen. Sie f ü hrte sich auf wie ein kleines M ä dchen.
» Nenn mich Henri. Auf F ö rmlichkeiten kommt es mir im Moment nicht an. « Er stellte seinen Becher neben sich ab und zog aus der Innentasche seines Justaucorps eine Tonpfeife und ein silbernes D ö schen mit Tabak.
» Ich … ich m ö chte dir nicht die Zeit stehlen und … Oh Gott, dein Taschentuch! « Sie hatte es schmutzig gemacht. War all der Dreck auf dem wei ß en Leinen von ihrem Gesicht gekommen? » Ich werde es nat ü rlich ersetzen, und auch das Bier bezahlen. « Sie streckte ihre Hand aus, die nach wie vor den Shilling hielt.
Henri warf nur einen fl ü chtigen Blick darauf. Er stopfte seine Pfeife und griff nach einem der Kiensp ä ne, die in einem Krug auf dem Kamin standen, um ihn am Feuer anzuz ü nden.
Hatte sie ihn beleidigt? Das Taschentuch sah teuer aus, es besa ß sogar sein Monogram › HN ‹ .
» Behalt dein Geld « , sagte Henri. » Diese Ausgabe kann ich mir gerade noch leisten. Und du siehst aus, als k ö nntest du ein Bier gut gebrauchen. «
Tats ä chlich? Au ß er Matthew w ä re in Chipperfield niemand auf die Idee gekommen, ein M ä dchen k ö nnte ein Bier n ö tig haben.
» Oder willst du etwas H ä rteres? Einen Gin vielleicht? «
Sie nippte schnell am Bierkrug und sch ü ttelte den Kopf.
» Wie ist dein Name? «
» Frances. «
Henri paffte an seiner Pfeife, bis sich erster Rauch aus dem kleinen Tont ö pfchen kringelte. Er schien sich eine Weile v ö llig auf das Rauchen zu konzentrieren, dann fragte er: » Was treibst du in der Stadt, Frances? Und was treibst du vor allen Dingen hier ? «
Sie sah ihn misstrauisch an. Warum wollte er das wissen?
Sein Blick streifte sie von oben bis unten. » Ich meine: was kann ich f ü r dich tun? « Seine blauen Augen schienen bis in ihr Innerstes zu dringen.
Frances sprang von der Bank hoch. Der Bierkrug zitterte in ihren H ä nden, aber wenn es sein musste, dann w ü rde sie ihn ganz fest packen und diesem Kerl ü ber den Kopf braten. Sie funkelte direkt in seinen vage ü berraschten Blick. » Nichts! Gar nichts! « , rief sie. » Ich will ü berhaupt nichts von dir! Von dir nicht, und auch von sonst niemandem! Ich bin nicht leicht zu haben, weder f ü r Geld, noch f ü r Bier oder Gin – auch wenn in dieser Stadt jedermann vom
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