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London Hades

London Hades

Titel: London Hades Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Dettmers
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lachenden Kinder gab es tats ä chlich. Sie haben ü ber mich gelacht und mir Hurentochter hinterhergeschrien.
    Und es ist auch richtig, dass ich mich daran erinnere, mit Molly am Kaminfeuer gesessen und ihr gelauscht zu haben – sie hat mir in schillernden Farben ausgemalt, was geschieht, wenn ich das Gem ü se nicht putze oder die L ö cher in ihren Kleidern nicht flicke! Henry und ich sind stundelang auf dem Boden herumgekrochen, um die Stube zu scheuern, damit es dem Herrenbesuch besser bei uns gefiel. Und w ä hrenddessen hat mir Mollys Sohn unter die R ö cke gegafft und mich angetatscht, bis Henry ihn daf ü r verpr ü gelt hat. Dann haben sie ihn meist in den Holzkeller gesperrt, und ich war ganz allein mit Christopher. «
    Die Bilder sprudelten in ihr hoch, als h ä tte jemand den Stopfen aus einer Flasche Bier gezogen. » Das Einzige, was meine Mutter f ü r mich getan hat, war meine Unschuld zu bewachen, um sie irgendwann gegen klingende M ü nze zu verh ö kern. Nur deshalb hat sie mich ü berhaupt mit nach Chipperfield genommen und nicht wie meinen Bruder an Molly Haynes verschachert. «
    Henry beobachtete sie ungl ä ubig, w ä hrend sie sich die Nase putzte und die Augen trocken tupfte. » Du hast das alles einfach verdr ä ngt? « , fragte er.
    » Einfach? « Sie schluckte und sp ü rte, dass ihr die R ö te ins Gesicht stieg. War es wirklich einfach gewesen? » Ich war klein, Henry! Ich wollte eine perfekte Mutter. Es war … es war sch ö ner so. «
    » Sch ö ner? «
    » Erz ä hl mir nicht, du h ä ttest nie etwas gesch ö nt oder verdr ä ngt! «
    » Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern, dass meine Mutter mich in ein Arbeitshaus gegeben hat, als ich alt genug war, um selbst auf meinen Beinen zu stehen. «
    Frances sah hoch. » Das hat sie getan? «
    Nachdem er eine Weile L ö cher in seine Schuhspitzen gestarrt hatte, meinte er: » Auch meine Mutter war eine Hure, Frances. Ich wei ß , wie es ist, ungewollt zu sein und sich ausgeliefert zu f ü hlen. Aber immerhin hat sie sich sauber aus der Aff ä re gezogen: Sie hat mich an der T ü r des Arbeitshauses in Lambeth abgesetzt und ist verschwunden. Schau nicht so, so schlimm ist es ja nicht gewesen. – Was ist denn? «
    Frances hatte das Gef ü hl, als w ä re alles Blut aus ihrem Kopf gewichen. Leider hatte es die neuen Bilder nicht mitgenommen, die vor ihren Augen entstanden waren, w ä hrend Henry gesprochen hatte. » Das hatte ich auch vergessen. «
    » Was denn? «
    Sie hieb mit der Faust neben sich auf den Boden und w ü nschte, sie k ö nnte einfach vergehen, anstatt sich weiter erinnern zu m ü ssen. Oh ja, es war sehr viel einfacher gewesen, an all das nicht denken zu m ü ssen. » Sie hat … sie hat … Mutter war wieder schwanger, und sie hat es nicht geschafft, es wegmachen zu lassen. Drei Monate lang waren Henry und ich im Arbeitshaus von St. Giles , weil sie uns nicht l ä nger ertragen konnte. Dann ist sie pl ö tzlich aufgetaucht und hat uns abgeholt – ich glaube, Gro ß vater hat daf ü r gesorgt. Mich hat sie mit nach Chipperfield genommen und meinen Bruder verkauft. «
    Frances war dankbar daf ü r, dass Henry aufstand und den Platz wechselte. » Ach, nur drei Monate! « Er dr ü ckte sanft ihre Hand. » Das ist nicht so schlimm, oder? Ich habe dort immerhin lesen gelernt …«
    Erst dachte sie, er wollte sich mit seinem l ä ngeren Aufenthalt an diesem schrecklichen Ort br ü sten, aber offenbar war das seine Art, sie aufmuntern zu wollen. Seine Augen blitzten, als er weitersprach. » Das Buch hatte ich nat ü rlich gestohlen – damals war ich klein und dumm, ich hab es f ü r eine dicke, lederne Brieftasche gehalten. Als ich entdeckte, dass unter dem Lederumschlag keine Wechselscheine steckten, die ich zu Bargeld h ä tte machen k ö nnen, habe ich mir aus lauter Wut dar ü ber von den ä lteren Insassen des Arbeitshauses zeigen lassen, wie man liest. – Warte mal … Es war Robinson Crusoe , glaube ich. Die Geschichte mag ich noch immer gerne. «
    » Ein Mann, der sich mit seinem Leben in der Einsamkeit arrangiert. « Als sie die Geschichte gelesene hatte, war sie nicht allein gewesen, sondern bei Matthew.
    » Und sich sein eigenes Paradies schafft. – So wie du. « Henry l ä chelte. Seine Finger strichen ü ber ihren Handr ü cken. » Du kennst das Buch? «
    » Ich mag es auch sehr gerne. Ich kenne Defoe. Und auch Pope und Swift, die anderen Autoren, die du gestern genannt hast. « Der Pastor besa ß eine gro

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