London Killing - Harris, O: London Killing - Belsey Bottoms Out
und unter dem Westway Zuflucht gefunden hatte. Als Versteck war das Pub immer noch gut. Die alten Burschen liefen um elf Uhr morgens ein: pünktlich wie die Uhrmacher stellten sie sich an und warteten darauf, dass ihre Zellen aufgeschlossen wurden. Mit so einer Disziplin, hatte Belsey ihnen erzählt, könnten sie locker einen festen Job kriegen. Heuchler.
»Wir haben von der Scheiße gehört.«
»Was habt ihr gehört?«
»Ärger im Norden.«
»Von der Untersuchung, die du am Hals hast. Totaler Blödsinn.«
»Ist es nicht.«
»Sind eine ganze andere Truppe jetzt, die von der Met.«
»Andere Welt. Ein ehrlicher Bulle wie du …«
Wie schnell sich sowas rumspricht, dachte Belsey. Cassidy hatte kein Wort gesagt. Jetzt stand er auf, mit seinem Bier und seinem Handy, seinen Schlüsseln und seinen Kippen. Er schaute zur Tür.
»Lust auf ein Spiel, Niall?«, fragte Belsey.
Cassidy drehte sich um und schaute dem Detective fest in die Augen.
»Wenn du meinst.«
Sie drehten im Hinterzimmer das Licht an und stellten die Kugeln auf. Cassidy öffnete eine frische Schachtel Marlboro Golds, zündete eine Zigarette an und legte sie auf den Rand des Pooltisches. Kein städtischer Kontrolleur würde jemals einen Fuß ins Hinterzimmer des Well setzen. Nicht mal der Wirt tat das. Die Holzablagen an den Wänden standen voller verklebter Gläser. Belsey fing an und versenkte die Sechs. Cassidy spielte schlecht. Belsey hatte einen Lauf. Alles in allem war er überrascht über seine gute Form.
»Wo ist er?«, fragte Belsey.
»Wer?«
»Wer wohl?«
»Weiß ich nicht.«
»Er ist dein Sohn. Warum schwänzt er seine Willkommensfeier?«
»Weiß ich nicht.«
»Was ist da dran, an diesem Gerede über die Messerstecherei vor dem Arbeitsamt?«
»Ich hab keinen Schimmer, Nick.«
»Andere Leute schon.«
»Es hat ihn keiner hingehängt.«
»So ein Scheiß, natürlich hat ihn wer hingehängt.«
Belsey räumte ab. Cassidy war nicht bei der Sache. Er zündete sich an der Zigarette eine zweite an. Belsey betrachtete sein Gesicht im Schein der Glut. Er hatte seinen Sohn zweimal getroffen. Johnny war ein guter Fußballer gewesen, Probetraining bei Arsenal, und als das nicht geklappt hatte, wurde er Cagefighter und gehörte zu einer Truppe, die immer in der Legend’s Gym hinter dem U-Bahnhof North Lambeth trainierte. Das war, bevor er nach Ibiza ging und die Liebe entdeckte. Ein paar Monate später hatte er von Holland aus Stoff geschmuggelt. Belsey steckte fünfzig Pence in den Geldschlitz am Pooltisch und baute die Kugeln für die nächste Partie auf.
»Was sagen die?«, fragte Cassidy.
»Es gibt drei Zeugen.«
»Und die haben ihn identifiziert?«
»Komplett mit Adresse und Postleitzahl, Niall. Drei Uhr nachmittags vor dem Arbeitsamt. Nicht gerade das perfekte Verbrechen.«
»Er hat sich bloß einen Jux gemacht.«
»Wirklich sehr lustig. Kann mich noch erinnern, als mich das letzte Mal einer aufgeschlitzt hat. Konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen. Hätte mich fast bepisst, Niall.«
»Was willst du?«
»Hab gehört, er hätte ein ziemlich ausgefallenes Messer benutzt. Keins, mit dem man einfach so in den Flieger steigt. Wo hatte er das her?«
»Das kann ich dir nicht sagen, Nick. Ich hab ihn nicht gesehen.«
»Wo hast du die Zigaretten her?«
»Was?«
»Die Zigaretten, die du da rauchst. Fumar puede matar . Das ist Spanisch, oder? Üble Angewohnheit, in jeder Sprache.« Cassidy fiel die Kinnlade runter. »Also, um was spielen wir bei der nächsten Partie?«, fragte Belsey.
Niall Cassidy kreidete die Spitze seines Queues ein. Früher hätte er Belsey schon einen Wichser geschimpft und ihm die Freuden ausgemalt, die Belsey in Pentonville erwarten würden. Aber ihm war jeder Mumm abhandengekommen. Das passiert. Selbst den Härtesten.
»Es geht um den Papierkram, der macht mir Kopfzerbrechen«, sagte Belsey. »Heutzutage ersäuft man in Papierkram. Berge von Papier. Deshalb sieht man auch keinen von uns mehr auf der Straße.«
»Ich weiß. Schätze, du brauchst mal Urlaub, Nicky. Wie wär’s damit?«
Er zog eine Rolle dreckiger Banknoten aus seiner Gesäßta sche und legte dreihundert in Zwanzigern auf den Tisch. »Schätze, du könntest eine kleine Auszeit gebrauchen. Gönn dir mal was.«
Belsey zählte das Geld, behielt einen Zwanziger und gab ihm den Rest zurück. »Mit der Auszeit liegst du richtig. Aber dafür brauche ich schon ein bisschen mehr als das da.«
»An wie viel hast du
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