London Killing - Harris, O: London Killing - Belsey Bottoms Out
Küche spiegelte sich in den schwarzen Fenstern.
»Wie fühlst du dich?«, fragte Belsey.
»Gut. So gut wie schon lange nicht mehr. Ich fand es sehr schön gestern Abend.«
»Ich auch.«
»Ich hatte nicht damit gerechnet.«
»So mag ich es am liebsten. Möchtest du Frühstück? Ich muss aber erst schauen, was ich dahabe.« Das Display am Kühlschrank listete verschiedene Sachen auf: Milch, Eier, Obst. Er öffnete den Kühlschrank, sah aber nichts, was für ein Frühstück taugte.
»Wer ist Alexei Devereux?«, fragte sie.
Belsey drehte sich um. Sie hielt einen Bekleidungskatalog in der Hand, der noch in der Plastikhülle samt Adressaufkleber steckte.
»Der Bursche, der vorher hier gewohnt hat«, sagte Belsey. »Wo hast du den Katalog her?«
»Lag auf dem Stuhl da.«
»Die bekomme ich immer noch geschickt.«
»Auf dem Morgenmantel stehen die Initialen AD. Dann gehört der wohl auch ihm.«
»Er musste London Hals über Kopf verlassen.«
Sie hob eine Augenbraue und warf dann den Katalog auf die Küchentheke. »Was verschweigst du mir?«
Belsey setzte sich ihr gegenüber an die Theke.
»Ich verschweige dir jede Menge Sachen, Charlotte, schließlich kennen wir uns erst seit zehn Stunden. Und davon haben wir die meiste Zeit geschlafen.«
Sie trank ihren Kaffee aus und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Er schaute sie an, bis sie anfing zu lachen und fragte, was das soll.
»Ich habe nichts zum Frühstücken für dich«, sagte er. »Soll ich dich zu deinem Wagen zurückfahren?«
»Meinem Wagen?«
»Den du stehen gelassen hast.« Er bemerkte ein Lächeln auf ihrem Gesicht. »Alles klar. Es gibt gar keinen Wagen.«
Sie grinste ihn triumphierend an.
Belsey fuhr sie nach Hause. Die Straßen lagen noch verlassen da, vom nackten Beton des Archway Towers hallte morgendliches Vogelgezwitscher wider. Sie dirigierte ihn in eine Wohnstraße, die von der Holloway Road abzweigte. Dort, in einem der ehrbaren dunklen Backsteinhäuser, hätte er selbst gerne gewohnt, wenn er es geschafft hätte, die Regeln einzuhalten und auf seine Karierre zu achten.
»Tja, die Bishops Avenue sieht anders aus«, sagte sie und lachte verlegen.
»Ja«, sagte Belsey.
»Nummer zwölf.«
Er hielt, aber sie stieg nicht sofort aus.
»Vielleicht sehen wir uns wieder«, sagte sie.
»Ich drücke die Daumen.«
»Und du meinst, du findest mich?« Ihre Augen glänzten.
»Leicht.«
Dann stieg sie aus, und er schaute ihr hinterher, aber sie drehte sich nicht mehr um.
Er fuhr zurück in die Bishops Avenue. Der Tag brach an. Es war kurz nach sieben, Nordlondon wachte auf: Privattrainer samt Kundschaft im Dauerlauf, Bauarbeiter, die sich aus Thermoskannen Tee einschenkten, hinter dem Steuer ihrer Vans. Belsey sah für einen Augenblick das Hampstead, an das er sich im Exil erinnern würde – wenn sein Gedächtnis das Filetiermesser beiseitegelegt und die blutverschmierte Schürze an den Haken gehängt hätte. Hampstead am Morgen, Politessen und Kinder mit Strohhüten, dieses Bild würde ihm bleiben. Und er würde etwas vermissen, den Teil von sich selbst, den er dort zurückgelassen hatte. Vielleicht würde er an den Morgen mit Charlotte zurückdenken, an den Selbstbetrug, und er würde denken: Damals war ich mehr als jemals wieder ich selbst. Und was bin ich jetzt?
In ein paar Minuten hatte er Devereux’ Haus wieder in Ordnung gebracht und die Kaffeetassen gespült. Dann rief er aus einer Laune heraus bei der Mail on Sunday an, erwischte jemanden aus der Nachtredaktion und fragte, ob eine Charlotte Kelson bei ihnen angestellt war. Das war sie.
»Soll ich Sie mit ihrer Voicemailbox verbinden?«
»Nein.«
Er legte auf, schaute aus dem Fenster und blickte für einen Augenblick in eine Zukunft, die es für ihn nicht geben würde.
Belsey schaute sich wieder den Scheck für Reflections Ltd. an. Es gab eine Tür, durch die Devereux diese Welt verlassen sollte, eine Tür, die Belsey blockierte. Und er versuchte, durch dieselbe Tür London zu verlassen. Er ging in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen, aber die Kaffeedose war leer. Das kam ihm wie ein Zeichen vor. Draußen auf der Straße ging langsam ein Mädchen in der Uniform einer Privatschule in Hampstead vorbei. Sie schaute durchs Küchenfenster ins Haus.
Belsey zog Devereux’ Anzugjacke an und ging nach draußen. Er hatte nicht die Absicht gehabt, dem Mädchen zu folgen, aber zufälligerweise gingen sie auf der Hampstead Lane in die gleiche Richtung. Ein langer Weg zur Schule,
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