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London Killing - Harris, O: London Killing - Belsey Bottoms Out

London Killing - Harris, O: London Killing - Belsey Bottoms Out

Titel: London Killing - Harris, O: London Killing - Belsey Bottoms Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Harris
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dachte er. Sie bog in die East Heath Road ein. Er folgte ihr. Am South End Green verschwand sie aus seinem Blickfeld. Er blieb neben dem Eingang zum Starbucks stehen und genoss ein letztes Mal den Londoner Morgen: die durch die Zweige scheinende Sonne, die Lieferwagen der Supermärkte, die schwangeren Mütter.
    Schon jetzt ahnte er, dass gleich etwas Furchtbares geschehen würde.
    Wenig später tauchte das Mädchen auf der gegenüberliegenden Straßenseite wieder auf. Sie schaute Belsey kurz an, ging weiter Richtung Bahnhof Hampstead Heath, drehte sich dann um, überquerte die Straße und ging auf ihn zu. Jetzt sah er ihr Gesicht. Er kannte sie. Wo hatte er sie schon einmal gesehen? Sie war etwa achtzehn, und bis auf die blaugelbe Uniform der South Hampstead High School sah nichts an ihr nach Schulmädchen aus. High Heels, Make-up, wattierte Chanel-Handtasche, Zigarette mit weißem Filter: Die Accessoires wirkten wie kalkulierter Protest gegen die Schuluniform. Sie musterte seinen Anzug, Devereux’ Anzug, als sie von der Straße auf den Gehweg trat. Sie starrte ihn geradezu an. Ein kalter Schauer kroch Belsey vom Kreuz nach vorn über Brust und Bauch.
    »Morgen«, sagte Belsey. Er lächelte und nickte knapp. Wo war sie hergekommen? Sicher nicht vom Heath. Belsey warf einen Blick auf ihre Schuhe. Klare Tauperlen glitzerten auf dem Lackleder. Kein Dreck. Er kannte sie, aber sein Gehirn konnte die Verbindung nicht herstellen. Irgendetwas passte nicht. Ihre Blicke begegneten sich ein letztes Mal. Sie schnippte die Zigarette auf die Straße, wo sie weiterqualmte wie eine Leuchtfackel. Dann ging sie an ihm vorbei ins Starbucks.
    Um ihre Stimme hören zu können, ging er ebenfalls hi nein, blieb aber neben der Tür stehen.
    »Einen Latte mit Vanille«, sagte sie. »Zum Mitnehmen.«
    »Grande?«
    »Ja.«
    Der erste Schuss zerriss die Scheibe. Belsey stürzte sich instinktiv auf den Boden. Den Aufprall der Kugel auf das Glas hatte er deutlicher gehört als den Schuss selbst, aber er kannte das Geräusch von Gewehrfeuer. Schnell hintereinander folgten drei weitere Schüsse. Dann ein paar Sekunden Stille, dann Schreie. Belsey rannte nach draußen. Er hörte einen fünften Schuss und warf sich neben einem Bushäuschen auf den Boden, dann fiel ein sechster Schuss. Es waren Schüsse aus einem Präzisionsgewehr, aus großer Entfernung. Jeder Knall hallte von dem Mietshaus auf der anderen Seite der Kreuzung wider. Belsey suchte die Straße ab: Menschen gingen in Deckung, suchten Schutz an der Bushaltestelle, hielten sich die Hände über den Kopf. Er sah niemanden mit einem Gewehr. Der Rest der Schaufensterscheibe des Starbucks fiel in sich zusammen. Es hörte sich an wie Regengeprassel. Zwei weitere Schüsse schlugen im Café ein. Belsey wartete. Nach ein paar Sekunden Stille lief er gebückt durch das Fensterloch ins Café.
    Ein Bildschirm lag inmitten von Kaffeepackungen auf dem Fliesenboden. Ein umgekippter Tisch war mit Blut verschmiert. Die Alarmsirene heulte schrill und sinnlos, leiser Smooth-Jazz und das Plätschern eines Zapfhahns waren zu hören. Eine Frau in Starbucks-Uniform versteckte sich hinter der Theke.
    »Polizei«, rief Belsey und schaute hinter Einrichtungsgegenstände, wo sich jemand verstecken konnte. Nur für den Fall. »Weg vom Fenster. Gehen Sie nach hinten.«
    Der Barista hob den Kopf, sein Gesicht war weiß. Belsey ließ den Blick noch einmal durch den Gastraum schweifen: Eine alte Frau kauerte sich in eine Ecke, ein junger asiatischer Mann in Starbucks-Uniform hielt sich den blutenden Arm. Ein Gast in blauem Overall kniete hinter einem Sessel, und das Schulmädchen lag auf der Seite in der Tür zum Lagerraum. Sie hatte sich in den Raum retten wollen, dachte Belsey. Nirgendwo eine Waffe. Auch keine Schüsse mehr, nur die Sirene, die Musik und der Zapfhahn, und über allem eine merkwürdige Stille.
    Belsey ging zu dem Mädchen. Blut tropfte von einem frei stehenden Schild mit der Aufschrift Jeder gute Tag beginnt mit einer guten Tasse Kaffee . Kugeln hatten das Schild durchschlagen und das Sofa dahinter aufgerissen. Gelbes Füllmaterial quoll aus dem Polster.
    Der Körper des Mädchens zuckte. Wo die Schulter gewesen war, klaffte ein dunkles, nasses Loch. Blut bedeckte die Vorderseite ihrer Schulbluse.
    Belsey kniete sich auf den Boden. »Nicht sprechen«, sagte er, knöpfte die Bluse auf und sah inmitten des Bluts dunklere Eintrittswunden in Bauch und Brust, was bedeutete, dass er nichts tun konnte. Ihre

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