London NW: Roman (German Edition)
Doppelnummer! Halt die Klappe, du Spast. Natalie hörte, wie sie draußen in der Diele zankten. Sie wartete in der Küche. Rund um den Kühlschrank war eine große Pfütze. Auf allen Türen stand FEUERSCHUTZTÜR . Sie kamen wieder herein. Schüchtern schlugen sie vor, dass man sich doch ins Schlafzimmer zurückziehen könne. Seltsam, wie schüchtern sie waren, angesichts der Umstände. Ständig kabbelten sie sich. Da rein. Spinnst du? Da drin mach ich’s nicht. Da schläft Bibi! Hier rein, Mann. Pisser. Komm mit, Keisha, mach’s dir bequem, ja? Dinesh, Mann, da ist ja nicht mal ’n Laken drauf! Hol ’n Laken! Sag nicht immer meinen Namen! Keine Namen. Wir holen nur kurz ein Laken, ja, wart einfach hier, lauf nicht weg.
Natalie Blake legte sich rücklings auf die Matratze. Oben auf dem Schrank standen alle möglichen Kisten voller Kram. Kram, den keiner mehr holen kam. Überflüssig. Das ganze Zimmer strahlte etwas schrecklich Trauriges aus. Am liebsten hätte sie die Kisten heruntergeholt, sie durchgesehen und gerettet, was es zu retten gab.
Die Tür ging auf, und die jungen Männer kamen zurück, jetzt nur noch in ihren Calvin-Klein-Unterhosen, eine schwarz, die andere weiß, wie zwei Fliegengewichte im Boxring. Nicht älter als zwanzig. Sie holten einen Laptop. Anscheinend war das so eine Art Roulette. Man klickte, und ein Mensch wurde sichtbar, in Echtzeit. Noch mal klicken. Noch mal klicken. Achtzig Prozent der Zeit bekamen sie Schwänze zu sehen. Der Rest waren schweigsame Mädchen, die mit ihren Haaren spielten, Studentengrüppchen, die reden wollten, kahl geschorene Schlägertypen vor ihrer Nationalflagge. In den seltenen Fällen, wenn tatsächlich mal eine Frau kam, tippten sie umgehend: ZEIG UNS DEINE TITTEN . Natalie fragte sie: Jungs, Jungs, wozu machen wir das? Ihr habt das doch hier alles in echt. Aber sie machten weiter mit dem Internet. Natalie schien es, als wollten sie Zeit schinden. Oder vielleicht waren sie auch zu nichts mehr in der Lage, ohne irgendwie das Netz einzubeziehen. Versuch’s mal, Keisha, versuch’s mal, schau mal, wen du kriegst. Natalie setzte sich an den Laptop. Sie erwischte einen einsamen jungen Israeli, der ihr schrieb: DU BIST NETT und seinen Schwanz herausholte. Hast du’s gern, wenn man dir zusieht, Keisha? Magst du das? Wir lassen’s da auf der Kommode stehen. Wie willst du’s haben, Keisha? Sag’s uns, und wir machen’s. Alles. Und immer noch wusste Natalie Blake, dass sie nicht in Gefahr war. Macht einfach, was ihr wollt, sagte Natalie Blake.
Doch keiner von beiden bekam irgendetwas hin, und bald gaben sie sich gegenseitig die Schuld. Das liegt an ihm! Das ist, weil ich ihn sehen muss, Mann. Der bringt mich total aus ’m Rhythmus. Hör nicht auf ihn, der hat gar keinen Rhythmus.
Sie waren völlig zufrieden damit, rumzumachen wie die Teenager. Natalie verlor die Geduld. Sie war kein Teenager mehr. Sie wusste, was sie tat. Und sie hatte nicht das Gefühl, abwarten zu müssen, bis vielleicht einmal jemand in sie eindrang. Sie konnte umschließen. Sie konnte festhalten. Sie konnte freigeben.
Sie setzte den Jungen mit der schwarzen Unterhose auf die Bettkante, rollte seine Vorhaut herunter, setzte sich auf ihn und befahl ihm, sie nicht anzufassen oder sich sonst irgendwie zu bewegen, solange sie es ihm nicht erlaubte. Ein dünner Schwanz, aber nicht hässlich. Er sagte: Du bist ganz schön entschlossen, was, Keisha. Weißt, was du willst, und so. Hört man ja immer über euch sistas, stimmt’s? Und Natalie Blake erwiderte darauf: Was man hört, geht mir so was von am Arsch vorbei. Sie merkte, dass der Junge keinen brauchbaren Rhythmus hatte – es war für sie beide besser, wenn er einfach stillhielt. Sie ließ sich auf ihn sinken. Schaukelte. Kam sehr schnell, wenn auch nicht ganz so schnell wie sein beschnittener Freund auf der anderen Seite des Bettes, der kurz aufstöhnte, sich tröpfelnd in die eigene Hand ergoss und dann im Bad verschwand. Dinesh, du kleiner Pisser. Komm zurück. Ähm. Das ist jetzt irgendwie komisch. Wo ist er hin? Nur noch wir zwei. Du bist schon gekommen, ja? Auch gut. Weißt du, ich glaub, ich komm da grad irgendwie nicht hin, Keisha. Ehrlich gesagt fühl ich mich grad so ’n bisschen überreizt.
Sie gab ihn frei. Der Junge rutschte aus ihr heraus, deutlich geschrumpft. Sie verstaute ihn wieder in der Unterhose. Dann zog sie sich an. Der andere kam mit verlegener Miene vom Klo zurück. Sie hatte noch einen Joint aus Camden übrig,
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