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London NW: Roman (German Edition)

London NW: Roman (German Edition)

Titel: London NW: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zadie Smith
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Straße hin.
    Na komm.
    Er krabbelte durch das Gestrüpp bis zu dem kleinen grasbewachsenen Platz, wo die Anwohner parken. Er lehnte sich an ein altes Auto. Natalie kam langsamer voran, hielt sich an den dickeren Ästen der Büsche fest, glitt in ihren Hausschuhen aus.
    Siehst echt nicht gut aus.
    Ich weiß nicht, was ich hier soll.
    Hast mit deinem Mann gestritten, was.
    Ja. Woher ...
    Siehst nicht aus, als hättest du echte Probleme. Komm mit mir. Ich fliege.
    Erst jetzt bemerkte sie seine Pupillen, groß und glasig, und versuchte, sich wieder in die alte Rolle zu versetzen. Das war immerhin ein Ersatz für das Fehlen jedes Gefühls, für dieses Nichts. Sie legte ihm die Hand auf die Schulter. Der Stoff seiner Jacke fühlte sich steif an, schmutzig.
    Du fliegst?
    Er machte ein Geräusch ganz hinten in der Kehle, fast wie ein Keuchen. Etwas Schleim geriet ihm in den Weg, und er hustete ausgiebig.
    Heute heißt’s entweder fliegen oder aufgeben. Willst du zu deiner Mutter?
    Nein. Nach Norden.
    Nach Norden?
    Ich wollte in Kilburn in die Tube. Aber die Straße ist abgesperrt.
    So. Komm, wir laufen. Ist hier nicht der Ort, wo ich grad sein will. Hab schon mehr als genug Zeit hier verbracht.
    Sie standen mitten in der Mulde von Caldwell. Fünf Häuser, verbunden durch Übergänge und Brücken und Treppenhäuser und Aufzüge, die man schon kurz nach dem Bau nicht mehr gefahrlos benutzen konnte. Smith, Hobbes, Bentham, Locke, Russell. Hier ist die Tür, hier das Fenster. Und noch mal, in Endlosschleife. Ein paar Anwohner hatten hübsche Töpfe mit Geranien und Alpenveilchen auf ihre Balkone gestellt. Andere hatten ihre Fenster mit braunem Klebeband repariert, schmuddelige Stores, keine Nummern an der Tür, keine Klingel. Gegenüber, auf dem langen Betonbalkon, der sich über die ganze Breite von Bentham zieht, stand ein dicker weißer Junge mit einem Fernrohr auf einem Stativ, das nach unten zum Parkplatz zeigte statt hinauf zum Mond. Nathan sah zu ihm hoch und behielt ihn im Blick. Der Junge klappte das Fernrohr zusammen, klemmte sich das Stativ unter den Arm und eilte nach drinnen. Überall roch es nach Dope.
    Lange her, Keisha.
    Lange her.
    Hast du ’ne Kippe?
    Natalie fuhr sich mit beiden Händen über den Körper, um zu demonstrieren, dass sie keine Taschen hatte. Nathan blieb stehen und zog eine einzelne Zigarette aus seiner Gesäßtasche. Er teilte sie mit einem langen Daumennagel, gelblich und dick, ein breiter Riss in der Mitte. Tabak krümelte ihm in die Hand. Beide Handflächen waren von trockenen, schwarzen Furchen durchzogen. Er griff in seine Jeans und förderte ein großes orangefarbenes Päckchen Rizlas zutage und ein Tütchen, das er sich zwischen die Zähne klemmte.
    Wo hast du noch gleich gewohnt?
    Locke. Und du?
    Er wies mit dem Kopf Richtung Russell.
    Stell dich da hin.
    Nathan fasste Natalie bei den Schultern und schob sie so, dass sie direkt vor ihm zu stehen kam. Irgendwie war es erleichternd, zum Gegenstand zu werden. Ohne viel falsch machen zu können, diente sie als nützlicher Puffer zwischen dem Wind und diesen beiden Zigarettenpapierchen, die jetzt sorgfältig zum L geformt wurden.
    Bleib noch ’nen Moment so stehen. Ey: Heulst du?
    Licht wanderte über sie hinweg und Maschinenlärm: ein tieffliegender Hubschrauber.
    Ja. Sorry.
    Ach, komm schon, Keisha. Dein Mann ist doch kein Unmensch. Der nimmt dich wieder zurück.
    Sollte er aber nicht.
    Leute machen viel, was sie eigentlich nicht sollten. Okay, fertig.
    Er hielt ihr den Joint hin, das Gesicht zum Nachthimmel gewandt.
    Nein. Ich muss klar im Kopf bleiben.
    Jetzt spiel mal nicht das brave Mädchen, Keisha. Ich kenn dich schließlich ewig. Deine ganze Familie. Cheryl. Aber wie du willst.
    Er steckte sich den Joint hinters Ohr.
    Ist übrigens nicht nur Dope drin, weißt du. Auch noch ’n paar andere kleine Knalleffekte. Solltest du probieren. Wir suchen uns irgendwo ’n ruhiges Plätzchen. Auf geht’s.
    Er ging los. Natalie folgte ihm. Gehen war jetzt ihre Aufgabe. Im Gehen versuchte sie, die Menschen dort drüben, im Haus, in ihre aktuellen Gedankengänge einzubeziehen. Doch ihr Verhältnis zu jeder einzelnen dieser Personen war ihr plötzlich unbegreiflich, und aufgrund langjähriger, fast lebenslanger Vernachlässigung besaß ihre Fantasie nicht mehr die schöpferische Kraft, sich eine alternative Zukunft abzuringen. Sie konnte sich nichts anderes ausmalen, nur alles erstickende Vorstadtschande. Sie dachte nach links und dachte nach

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