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London NW: Roman (German Edition)

London NW: Roman (German Edition)

Titel: London NW: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zadie Smith
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Wirtschaftslage?
    Franks Miene zeigt leise Panik, mit den seltsamen Freunden seiner Frau allein zu sein.
    – Ehrlich gesagt, Frank, ich arbeite mich gerade ein bisschen in dein Gebiet ein, in kleinem Umfang.
    – In mein Gebiet?
    – Daytrading. Im Internet. Nachdem wir letztes Mal gesprochen haben, weißt du, da habe ich mir ein Buch gekauft und ...
    – Du hast dir ein Buch gekauft?
    – Eine Anleitung ... und dann habe ich selbst ein bisschen rumprobiert, kleine Beträge, nur für den Anfang.
    Franks Miene legt nahe, dass weitere Erklärungen nötig sind, er wittert irgendwo Unmöglichkeiten. Diese Form der Demütigung ist äußerst subtil, und doch wird Michel sie irgendwie in veränderter Form an Leah weiterreichen, wie eine Flüssigkeit, die sich in Gas verwandelt, später noch oder morgen, bei einem Streit, im Bett.
    – Na ja, Leahs Vater hat ihr, uns, eine kleine Summe hinterlassen.
    – Ah, verstehe! Na, eine kleine Summe ist doch ein guter Ausgangspunkt. Aber hör mal, Michel, ich will wirklich nicht dafür verantwortlich sein, dass du dein letztes Hemd verlierst ... Ich arbeite ja für einen Global Player, wir haben eine Art Sicherheitsnetz, aber als einzelner Händler sollte man wirklich nicht vergessen, dass ...
    Leah seufzt hörbar. Es ist kindisch, aber sie kann nicht anders. Frank dreht sich mit begütigendem, müdem Lächeln zu ihr um. Er legt ihr mahnend einen Finger auf die Schulter, tippt sie sanft an.
    – Ich wollte eigentlich nur sagen, Michel, es wäre sinnvoll, sich bei einem Online-Portal anzumelden, bei Today Trader beispielsweise oder etwas Ähnlichem, und erst einmal mit Spielgeld herumzuprobieren, um ein Gefühl für die Sache zu kriegen ...
    – Entschuldigt ihr mich? Ich glaube, Olive muss kacken, und ich will nicht, dass sie das hier auf eurem perfekten Rasen macht.
    – Leah!
    – Nein nein nein, schon gut, Michel, wir kennen uns ja schon so lange, Leah und ich. Ich bin ihre schrägen Einfälle gewöhnt. Spike, wollen wir mit Olive einmal um den Block laufen, bevor sie wieder nach Hause muss? Komm, wir holen mal eine Plastiktüte, ja?
    Leah und Michel bleiben auf dem Rasen zurück, im Schneidersitz, wie Kinder. In diesem Haus fühlt sie sich immer wie ein Kind. Kuchenzutaten und schicke Teppiche und Zierkissen und Polstersessel mit edlen Bezügen. Kein Futon weit und breit. Über Nacht sind alle erwachsen geworden. Während sie noch im Werden war, sind alle anderen längst fertig geworden.
    – Warum behandelst du mich eigentlich immer wie den letzten Idioten?
    – Bitte?
    – Ich stelle dir eine Frage, Leah.
    – Das wollte ich nicht. Ich kann es nur einfach nicht ertragen, wenn er dich so von oben herab behandelt.
    – Hat er gar nicht. Aber du.
    – Wer ist das eigentlich? Wer ist diese Person? Diese bourgeoise Existenz!
    – Bourgeoise, bourgeoise, bourgeoise. Manchmal glaube ich, du kennst gar kein anderes französisches Wort. Du bist so eine richtige Engländerin geworden ... die ihre ganzen Freunde nicht mehr leiden kann.
    Frank kommt wieder durch die Terrassentür. Wäre er aufmerksamer, er hätte sie ertappt in ihrem Punch-und-Judy-Modus, erstarrt in einer Haltung des Abscheus und des Zorns. Doch Frank ist nicht besonders aufmerksam, und als er den Kopf hebt, sind sie längst wieder, was sie immer zu sein scheinen: ein glücklich verliebtes Paar.
    – Weißt du, wo die Leine ist?
    Hinter ihm kommt Nat nach draußen, heiter, undurchschaubar. Naomi hockt seitlich auf ihrer Hüfte, wie das Baby, das sie vor nicht allzu langer Zeit noch war. Ihre wilden Afrolocken stehen in alle Richtungen ab. Leah beobachtet, wie Michel das Kind betrachtet. Er hat einen Ausdruck tiefen Verlangens im Gesicht.

17
    – Tante Leah! Tante Leah! Mummy sagt LANGSAMER !
    Leah bleibt stehen, schaut zurück. Kein Mensch ist zu sehen, dann biegt Nat um die Ecke, mit einem theatralischen Seufzer. Der Buggy ist leer, sie hat Spike auf dem Arm, Naomi zerrt an ihrem T-Shirt. Gulliver, kurz davor, von den Liliputanern überwältigt zu werden.
    – Lee, bist du sicher, dass das stimmt? Sieht so gar nicht danach aus.
    – Am Ende dieser Straße. Auf der Karte macht sie einen Bogen und führt dann wieder zurück. Pauline hat schon gemeint, es ist schwer zu finden.
    – Ich seh nur das Amtsgericht und ... einen Kreisverkehr? Hierbleiben, Kinder, bei mir bleiben. Da kann man ja auch gleich auf dem Seitenstreifen der Autobahn spazieren gehen. Was für ein Albtraum. Kennedy Fried Chicken. Polish Bar and Pool.

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