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London NW: Roman (German Edition)

London NW: Roman (German Edition)

Titel: London NW: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zadie Smith
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der Teppich schon ganz abgenutzt vom vielen Staubsaugen. Auf dem einzigen Stuhl lagen seine Kleider vom Abend zuvor bereits gefaltet und ordentlich gestapelt. Das rosa Telefon auf dem gläsernen Frisiertisch glänzte, und der gläserne Frisiertisch auch. Er kannte viele Frauen: Aber er hatte nie eine gekannt, die dermaßen feminin gewesen wäre. »Hoch!« Er hob den Hintern, damit sie einen Strumpf darunter hervorziehen konnte. Sogar das Parfumfläschchen in ihrer Hand war wie ein Frauenkörper geformt, eine billige Kopie vom Markt. Wenn er ihr bloß kaufen könnte, was sie sich wünschte! Es gab so viel, was sie sich wünschte. »Und wenn du bei Wilsons an der High Road vorbeikommst – Fee, hör mir halt zu. Wenn du da vorbeikommst, frag Ricky – du weißt schon, wen ich meine, oder? So ’n kleiner hellbrauner Typ mit Zöpfchen. Frag den, ob er kommen kann und nach dem Abfluss sehen. Wie viel Uhr ist es? Mist – ich komm zu spät.« Er sah zu, wie sie sich besprühte, die Halsbeuge, die Unterseite des Handgelenks, verstohlen, als dürfte er nie erfahren, dass sie nicht von selbst nach Rosen und Sandelholz roch. »Wo ist die Oyster-Card?« Mit männlichem Achselzucken verschränkte der Mann die Hände hinter dem Kopf. Die Frau schnalzte mit der Zunge und verschwand in dem kleinen Wohnraum, um dort zu suchen. Allein war es schwer, männlich zu bleiben. Er machte so viele Sit-ups. So viele! Trotzdem blieb sein Bauch konkav, ein ins offene Fenster gewehter Vorhang. Er hob die Zeitung von gestern vom Boden auf. Vielleicht war der Trick ja, sich gar nicht so viel Mühe zu geben. Hatte sie nicht die Männer am meisten geliebt, die am wenigsten Buhei gemacht hatten? »Musst du heute arbeiten, Fee?« »Nee, die Woche haben sie mich nur Freitag gebraucht.« »Die müssen dir die Samstage geben. Da kommt doch die Arbeit rein. So was ist respektlos. Du bist schließlich ausgebildet. Du hast dein Zeugnis. Du musst endlich aufhören, dich von den Leuten so respektlos behandeln zu lassen.« »Stimmt«, sagte Felix und blätterte auf die Seite drei. Die Frau kam ganz nah an den Mann heran und setzte einen Satz aus Wörtern und Küssen zusammen. » Never. Ignorant. Getting. Goals. Accomplished . N. I. G. G. A. « Sie runzelte beiläufig die Stirn über die Brustwarzen der Weißen in der Zeitung, die auch Felix, durchaus vertrauter mit solchen Brustwarzen als Grace, eigentümlich fand, so winzig und rosa wie bei einer Katze. »Und du hast sie auch immer noch nicht geschrieben, stimmt’s, Fee? Stimmt’s?« »Was denn?« »Die Liste! Die hast du noch nicht geschrieben, stimmt’s?« Felix brummte ausweichend, aber sie hatte recht, er hatte noch keine Liste der Dinge geschrieben, die er sich vom Universum wünschte, und hatte im Stillen auch Zweifel, dass das auf der Arbeit irgendetwas ändern würde. Es gab einfach nicht genug zu tun, um fünf Männer fünf Tage die Woche beschäftigen zu können. Und er hatte am wenigsten Erfahrung, war als Letzter dazugekommen. »Felix!« Das geliebte Gesicht erschien im Türrahmen. »Du, es ist grade gekommen! Ich muss los – es liegt auf dem Sofa. Bring’s deinem Vater vorbei, ja?« Der Mann wollte widersprechen, er hatte selber genug zu erledigen, aber das waren geheime Erledigungen, also sagte er nichts. »Komm schon, Fee. Er wird sich freuen. Mach keinen Scheiß. Und übrigens? Ich bleib heute Abend gleich bei Angeline und geh von da aus zum Karneval. Also ruf mich an und sag Bescheid, wann du kommst.« Felix setzte eine Protestmiene auf. »Nein, Felix, ich hab ihr versprochen, dass wir uns zusammen aufbrezeln. Das ist Tradition. Und sie ist doch jetzt schließlich allein. Wir zwei können immer noch zusammen zum Karneval. Sei nicht so egoistisch. Wir können Montag gehen. Wir haben uns – Angeline hat niemanden. Komm schon, sei nicht so.« Sie küsste zwei Fingerspitzen und richtete sie auf sein Herz. Er grinste sie an. »Na, siehst du. Bis dann!« Wie soll man Glück verbergen? Er hörte, wie die Tür ins Schloss fiel, wie vier Etagen morscher Dielen im Laufschritt stöckelnd genommen wurden.
     
    »Felix! Felix Cooper! Was geht, bruv? «
    Ein Riesenbaby, mit einem blöden Zahnlückengrinsen, zusammengewachsenen Brauen und dichtem schwarzem Haar, das ihm hinten aus dem T-Shirt wucherte. Felix klemmte den schweren Umschlag unter den Arm und ließ einen komplizierten Handschlag über sich ergehen. Er war keinen halben Meter von seiner Haustür entfernt. »Lange her ... Kennst mich nicht

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