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London NW: Roman (German Edition)

London NW: Roman (German Edition)

Titel: London NW: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zadie Smith
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es für nötig gehalten hat, die Bezirksverwaltung zu informieren. Mein Geld ist eingefroren, ich muss mich jämmerlich von Grillsardinen ernähren. Und auch bei etlichen anderen Grundbedürfnissen gab es massive Einschnitte ...« Sie zog ein unglückliches Kindergesicht. »Dreimal darfst du raten.«
    »Barrett«, meinte Felix mürrisch; er konnte sie in jeder Stimmung ertragen, nur nicht in dieser. Er ließ den Blick unauffällig durch den Raum schweifen und entdeckte schnell, was er suchte: einen zusammengerollten Zwanziger samt Kosmetikspiegel hinter einem Fuß der altmodischen Badewanne. »Ich glaube, er will mich ruinieren. Damit sie dann weiterhin alle irgendwelchen ...«
    »Russen tausend pro Woche abknöpfen können«, murmelte Felix Wort für Wort mit.
    »Verzeih, dass ich so langweilig bin.«
    Sie stand auf. Falls ihn das provozieren sollte, nahm er es gelassen. Er sah zu, wie der Schaum über ihren Körper glitt. Sie hatte die Figur einer Tänzerin, alle Kurven nach hinten verbannt. Was er jetzt vor sich hatte, besaß nur schwachen Nutzwert: Brüste, wie zwei Muskel hoch über einem Konstrukt aus gespannten Hebeln und Drähten, entworfen für ein Leben, das nie stattgefunden hatte.
    »Reicht man einer Dame denn kein Handtuch?«
    Über der Tür hing ein schmuddeliger Fetzen. Er versuchte, um sie herumzugreifen und ihn ihr züchtig über die Schultern zu hängen, aber sie ließ sich gegen ihn sinken, sodass er patschnass wurde.
    »Brrr! Ist das kuschlig.«
    »Verdammte Scheiße!«
    Sie flüsterte ihm ins Ohr: »Das Gute ist, wenn die schon behaupten, ich würde mich draußen rumtreiben, dann kann ich mich auch rumtreiben. Wir alle beide.«
    Felix machte einen Schritt zurück, ging auf alle viere und schob den Arm unter die Wanne.
    »Nach allem, was die erzählen, war ich längst wieder auf der Piste. Jede Nacht tanze ich mir im Heaven mit den jungen Schwuchteln die Seele aus dem Leib. Schlaftanzen. Wer weiß, vielleicht fängt damit ja ein völlig neues Leben für mich an? Was um Himmels willen machst du denn da unten? Ach, sei doch nicht so nervig, Felix. Lass das liegen ...«
    Felix richtete sich auf, in der Hand einen Spiegel wie aus dem Märchen, mit silbernem Griff und einem in vier breite Lines zerteilten Pulver darauf; ein Strohhalm lag quer darüber, dass es fast aussah wie ein Wappen. Annie hielt ihm die ausgestreckten Arme entgegen, die Innenseite der Handgelenke nach oben gedreht. Die Venen wirkten dicker, blauer.
    »Es ist noch nicht mal Mittag.«
    »Aber das ist doch mein Mittagessen. Würdest du jetzt bitte so gut sein und es wieder dahin zurückstellen, wo du es gefunden hast?«
    Sie standen zu beiden Seiten des Klos: Es lag auf der Hand, was zu tun war. Auch eine Möglichkeit, ihr zu sagen, was er zu sagen hatte.
    »Leg. Das. Bitte. Wieder. Hin.« Annie lächelte mit sämtlichen Showgirl-Zähnen. Draußen klopfte jemand. Felix registrierte ein unkontrolliertes Zucken ihres einen Augenlids, ein Kampf zwischen vorgeschobener Leichtigkeit und lastender Realität. Er kannte diesen Kampf nur zu gut. Er legte den Spiegel zurück. »Mome-hent!«
    Von einem Haken an der Tür griff sie sich ein seidenes japanisches Etwas, streifte es über und zog die eine Seite weit über die andere, um einen riesigen Riss zu verbergen. Hintendrauf schoss ein Schwalbenschwarm vom Hals den Rücken entlang bis zum Boden. Sie eilte hinaus und sperrte Felix ein. Aus Gewohnheit öffnete er das verglaste Schränkchen über dem Waschbecken. Er schob die erste Reihe beiseite – Gesichtscreme von Pond’s, Elizabeth Arden, ein leeres, uraltes Fläschchen Chanel 5 –, um an die Medikamente dahinter zu kommen. Nahm das Fläschchen Poxyschießmichtot in die Hand, das mit dem roten Deckel, das einen mild-manisch draufbrachte, wenn man es mit Alkohol mischte, wie mit Ketamin versetztes Ecstasy. Am besten klappte es mit Wodka. Er hielt das Fläschchen in der Hand. Stellte es wieder an seinen Platz zurück. Im Nebenzimmer hörte er sie, unvermittelt schrill: »Nein ... das verstehe ich überhaupt nicht ...«
    Gelangweilt ging Felix nach nebenan und pflanzte sich auf einen unbequemen Holzstuhl mit hoher Lehne, der einst die Eingangshalle von Wentworth Castle geziert hatte.
    »Ich benutze das Treppenhaus so gut wie nie. Das mag ein ›Gemeinschaftsbereich‹ sein, aber ich nutze ihn nicht. Mein einziger Publikumsverkehr ist hin und wieder ein Lieferant oder ein Freund, der hier raufkommt. Aber wirklich nur hin und wieder. Ich gehe

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