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London NW: Roman (German Edition)

London NW: Roman (German Edition)

Titel: London NW: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zadie Smith
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Ausbildungsoffiziers:
    WENN SIE JETZT DENKEN: WIE KOMM ICH DA BLOSS RÜBER, DANN IST DIE ARMEE NICHTS FÜR SIE.
    WENN SIE ABER DENKEN: WIE KOMMEN WIR DA BLOSS RÜBER, DANN MELDEN SIE SICH BEI UNS .
    »Ich frag mich vor allem: Wie kommt ihr hier bloß rüber?«
    Er deutete auf den Fernseher, und um ihn herum lachten alle. Sie erkannte seine Stimme sofort, diesen verruchten Mailänder Tonfall.
86. Stil
    Die Dreadlocks waren verschwunden. Seine Smokingjacke schlicht, elegant. Aus der Brusttasche schaute ein gestärktes rosa Taschentuch, und seine Socken hatten ein helles Rautenmuster. Die Nikes waren etwas gewagt und nagelneu. Er wirkte gar nicht mehr exotisch. (Inzwischen kleideten sich praktisch alle Rapper so. Geld war in Mode.)
87. Das erste Sponsoren-Dinner des Herbstsemesters
    Natalie Blake war »Captain« ihrer Abteilung. Sie war sich nicht sicher, was das heißen sollte. Sie stand hinter ihrem Stuhl am ihr zugewiesenen Tisch und wartete auf ihren Sponsor, einen gewissen Doktor Singh. Sie schaute zum Deckengewölbe hinauf. Eine junge Weiße in einem Satinkleid kam heran und stellte sich neben sie. »Schön, nicht? Dies majestätische Dach, mit goldnem Feuer ausgelegt! Hallo, ich bin Polly. Ich gehöre zu deiner Gruppe.« Neben Polly erschien ein junger Mann namens Jonathan, der meinte, »Captain« hieße nur, dass man das Essen von links serviert bekäme. Porträts der ehrwürdigen Verstorbenen. Schweres Tafelsilber. Fischbesteck. Die Richter marschierten in ihren langen, flatternden Talaren in den Saal und verneigten sich. Ein lateinisches Tischgebet wurde angestimmt. Gelangweilte, zufriedene Stimmen wiederholten die fremdartigen Worte.
88. Die Erfindung der Liebe: Teil zwei
    Natalie Blake breitete gerade die dicke Leinenserviette über ihren Schoß, als sie Frank De Angelis entdeckte, der zu spät kam, auf ihren Tisch zuhielt, sie seinerseits entdeckte. Er sah umwerfend aus, mehr denn je wie Orfeu. Seine Reaktion schmeichelte ihr: »Blake? Toll siehst du aus! Toll, dich zu sehen. Oh Captain, mein Captain ...« Er verbeugte sich leicht und setzte sich dann ganz dicht neben sie, Schenkel an Schenkel, überflog die Speisenfolge, verzog das Gesicht. »Cottage Pie. Wie ich Italien vermisse!« »Du wirst es überleben.« »Ihr kennt euch schon?«, fragte Polly. Und es lag tatsächlich etwas Vertrautes in der Art, wie sie miteinander sprachen, die Köpfe zusammengesteckt, den Blick in den Raum gerichtet. Natalie fand sich mühelos in diese Rolle ein und musste sich aktiv ins Gedächtnis rufen, dass es diese Vertrautheit bis heute Abend nicht gegeben hatte. Sie entstand gerade in diesem Moment und ihre Geschichte mit ihr.
    Der schlechte Wein floss in Strömen. Ein uralter Richter erhob sich, um eine Rede zu halten. Seine Augenbrauen standen weit vom Kopf ab, wie bei einer Eule, und er kam zuverlässig auf die erste Aufführung von Was ihr wollt sowie auf die marodierenden Bauern zu sprechen, die einst die Gesetzbücher verbrannten: » ... und leider finden wir, wenn wir Omans Übersetzung der Anonimalle Chronicle konsultieren, dort eine recht entmutigende Darstellung unseres Berufsstands ... Denn als man sie in unserer ureigenen Temple Church in die Enge getrieben hatte, unternahmen unsere nicht ganz so edlen Vorgänger wenig, um dem wütenden Mob Einhalt zu gebieten. Ich darf zitieren: Es war ein wundersames Schauspiel, wie selbst die Ältesten und Gebrechlichsten unter ihnen mit der Leichtfüßigkeit von Ratten und bösen Geistern davonstoben ... Heute allerdings, das kann ich Ihnen versichern, sind Enthauptungen erfreulich selten geworden – zumindest hier in London! –, und die Anfeindungen gegen die Anwaltschaft beschränken sich im Allgemeinen auf ...« Natalie war wie gebannt. Allein der Gedanke, dass ihr Dasein mit dem von Menschen zusammenhing, die vor sechshundert Jahren gelebt hatten! Sie war nicht mehr der zufällige Gast bei Tisch, als der sie sich seit jeher betrachtete, sondern eine Gastgeberin unter lauter anderen Gastgebern, die eine Tradition fortführten. »Und so fällt es nun Ihnen zu«, sprach der Richter, und Frank sah zu Natalie hin und versuchte, ihren Blick aufzufangen, und gähnte übertrieben. Natalie verschränkte die Arme noch energischer auf dem Tisch und wandte ihr Gesicht dem Richter zu. Kaum hatte sie das getan, kam es ihr wie Verrat vor. Aber wer war Frank De Angelis schon für sie? Und dennoch. Sie sah ihn an und hob ein klein wenig die Augenbrauen. Er zwinkerte ihr zu.
89. In

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