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London NW: Roman (German Edition)

London NW: Roman (German Edition)

Titel: London NW: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zadie Smith
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Wildfremde zu umarmen. Sie betrachtete die kleine weiße Pille in ihrer Hand. Was sollte schon schiefgehen, jetzt, wo alle Freunde waren? Immer eine Flasche Wasser dabeihaben. Und außerdem, es war ja sowieso alles schon beschlossene Sache. Nicht kauen. Schlucken. Lichtblitze flackern. Der Beat hört nicht auf. (Ich werde Anwältin, und du wirst Arzt, und er wird Lehrer, und sie wird Bankerin, und wir werden alle Künstler, und die werden Soldaten, und ich werde die erste Schwarze sein und du der erste Araber und sie die erste Chinesin, und alle werden wir Freunde sein, alle werden wir einander verstehen.) Freunde sind freundlich zueinander, Freunde helfen einander aus der Patsche. Keiner braucht außergewöhnlich zu sein. Freunde kennen den Unterschied zwischen Solicitor und Barrister, sie wissen, wo man sich am besten bewirbt und wo man am wahrscheinlichsten genommen wird, und kennen alle wichtigen Stipendien und Fördereinrichtungen. »Seine Freunde sucht man sich aus, seine Familie nicht.« Wie oft Natalie Blake diesen Satz wohl hörte?
80. Ideologie in der Unterhaltungskultur
    Und damit es auch wirklich keiner vergaß, machte die beliebteste Fernsehsendung der Welt es noch einmal ganz deutlich, fünf Mal die Woche.
81. Der Ungetröstete (Leahs sechster Besuch)
    »Oh Gott, ich hab gerade Rodney bei Sainsbury’s gesehen!«, rief Leah ganz außer sich und stellte zwei Einkaufstüten auf den Tisch. »Ich habe in seinen Korb geschaut. Da war eine Pastete drin und zwei Dosen Ginger Ale und eine Flasche von dieser scharfen Soße, die man auf alles draufmachen kann. An der Kasse stand ich direkt hinter ihm, und er hat so getan, als hätte er was vergessen, und ist abgehauen. Aber dann habe ich ihn kurz darauf wieder an einer Kasse ganz hinten gesehen, und er hatte noch genau dieselben vier Sachen im Korb.«
82. Berufsanfängertag
    Ein festlicher, turbulenter Anlass, fast so gut besucht wie die Freshers’ Fair der Studienanfänger, obwohl die Plakate hier nicht handgemalt waren und nicht für die Tolkien-Gesellschaft oder den Uni-Chor warben, sondern die wohlklingenden Namen von Anwaltskanzleien und die vertrauten Namen von Banken trugen. Junge Frauen in Cheerleader-Outfits mit dem Logo einer Unternehmensberatung liefen durch den Saal und verteilten kleine Eisbecher und Dosen mit Energydrinks. Natalie Blake drehte ihre Dose in der Hand, um den Slogan darauf lesen zu können: Claim Your Future. Mit einem kleinen Löffel aus hellem Holz stocherte sie in dem Eisbecher herum und sah zu, wie die grünen Luftballons einer deutschen Bank sich aus ihrer Halterung lösten und langsam hinauf zur Decke stiegen. Von irgendwoher hörte sie Rodneys Stimme. Er hockte drei Tische weiter mit ungeheurem Eifer auf dem äußersten Rand eines Plastikstuhls. Ihm gegenüber saß ein Mann in Anzug und Krawatte und machte sich belustigt Notizen auf einem Clipboard.
83. Metaphernmix
    Anderthalb Jahre später, als alle nach London zurückgekehrt oder gezogen waren und Natalie auf die Zulassung als Barrister hinarbeitete, schickte Rodney Banks einen Brief an Marcia Blakes Adresse, der mit den Worten begann: »Keisha, Du redest immer davon, Deinem Herzen zu folgen, aber es ist schon komisch, dass Dein Herz so genau weiß, wie es sich betten muss.« Frank De Angelis nahm Natalie Blake den Brief ab und küsste sie auf den Scheitel. »Armer alter Rodney. Versucht er etwa immer noch, Anwalt zu werden?«
84. Gruppendenken
    Ein Fernsehwerbespot der Armee. Ein Trupp Soldaten springt aus einem tieffliegenden Hubschrauber auf den Boden. Wackelnde Kamera: Wir sollen glauben, die Männer würden angegriffen. Sie laufen durch eine unwirtliche Gegend voller Wind und Staub, über eine Lichtung und kommen schließlich an den Rand einer Schlucht. Die Holzbrücke, von der sie gehofft hatten, sie würde sie auf die andere Seite führen, ist halb zerstört. Zersplitterte Bohlen hängen in den Abgrund hinab. Die Soldaten mustern den Abgrund, sie mustern einander und die schweren Armeerucksäcke, die sie geschultert haben.
85 Lincoln’s Inn
    Eine Gruppe von Anfängern in Abendgarderobe sah diesen Spot, auf Sessel und Sofas verteilt, und unterhielt sich dabei lautstark. Auch Natalie Blake gehörte zu den Anfängern, doch sie war schüchterner. Sie stand ganz hinten im Aufenthaltsraum und versuchte, so zu wirken, als wäre sie mit den Getränken beschäftigt. Jetzt sah man Textzeilen, wie mit dem Brenneisen auf den Bildschirm geprägt. Dazu ertönte die Stimme des

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