London Road - Geheime Leidenschaft
die Kehle zusammen. Malcolm war noch nie bei uns in der Wohnung gewesen. Er kannte Cole nicht, und das sollte fürs Erste auch so bleiben. »Wir können uns doch im Restaurant treffen«, widersprach ich.
Sein Finger strich über den dünnen Stoff an meinem Arm, und sein Mund verzog sich zu einem belustigten Lächeln. »Früher oder später musst du mir deine Familie vorstellen, Jo.«
Es gab einen Teil von mir, der sich aufrichtig darüber freute, dass Malcolm so viel an mir lag, dass er meine Familie kennenlernen wollte, aber ein noch größerer Teil hätte am liebsten alles Wissen von der London Road aus seinem Gedächtnis getilgt, damit er niemals den Weg zu unserer Wohnung – und Mum – finden könnte. Niemals.
Ich heuchelte Begeisterung. »Hmm. Bald.«
Ich hatte keine Ahnung, ob er mir glaubte oder nicht, jedenfalls gab er mir einen festen Kuss auf die Lippen – ein Versprechen, dass wir später da weitermachen würden, wo wir gerade aufgehört hatten. Dann überließ er mich wieder meiner Arbeit.
Mit der erkalteten Latte in der Hand sortierte ich immer noch die Akten, als Mr Meikle wenige Minuten nach Malcolms Abgang aus seinem Büro auftauchte. Ich sah argwöhnisch zu ihm hinüber. Er stand bloß da und glotzte mich an. Wo war der Laserblick?
Er glotzt immer noch.
Okay.
Langsam wird’s unheimlich.
Meikle räusperte sich. »Mir war gar nicht bekannt, dass Sie eine Beziehung mit Malcolm Hendry haben.«
Ach, das fehlte jetzt noch. Danke, Malcolm. »Ja, Sir.«
»Seit drei Monaten?«
»Ja.«
»Nun.« Er trat von einem Fuß auf den anderen und schien regelrecht verlegen. Ich sah ihn erstaunt an. Bisher hatte ich meinen Boss nie anders als selbstverliebt und wichtigtuerisch erlebt. »Also, in diesem Fall … hm … weiß ich, hm, also, ich weiß Ihr professionelles Verhalten zu schätzen.«
Alle Maschinen auf Stopp.
Wie bitte?
»Sir?«
Er räusperte sich ein zweites Mal, und sein Blick flackerte ziellos durch den Raum, als bringe er es nicht über sich, mir in die Augen zu sehen. »Mr Hendry ist ein wichtiger Klient.« Aha, daher wehte der Wind. Er sah mich an. »Sie hätten diesen Umstand ausnutzen können, um sich Vorteile zu verschaffen, aber das haben Sie nicht getan. Ich weiß Ihre Professionalität und Ihre Diskretion zu schätzen.«
Es war das erste Mal, dass es mir die Sprache verschlug, weil Mr Meikle etwas Positives zu mir gesagt hatte. Normalerweise blieben mir die Worte im Halse stecken, weil ich mich so maßlos über seine selbstherrliche Arroganz und Herablassung ärgerte. Es war auch das erste Mal, dass mein Boss mich ansah, ohne dabei missbilligend oder enttäuscht das Gesicht zu verziehen, als stünde für ihn von vornherein fest, dass ich seinen hohen Anforderungen niemals gerecht werden würde, wie sehr ich mich auch bemühte. Ich hatte mich an diesen Gesichtsausdruck gewöhnt, und nun aus heiterem Himmel ein Kompliment von ihm zu bekommen, war mehr als seltsam.
Irgendwann fand ich meine Stimme wieder. »Ich habe es eben lieber, wenn meine Privatangelegenheiten privat bleiben, Mr Meikle.«
»Ja, gut, das ehrt Sie.« Von einem auf den anderen Moment klang er wieder gereizt. »Lucy plappert andauernd von ihrem Verlobten. Als hätte ich Zeit für solches Gewäsch.« Damit verschwand er wieder in seinem Büro. Auf einmal tat mir Lucy leid. Vielleicht sollte ich ihr mal ein Smiley malen.
Cole hatte mir gesagt, dass er am nächsten Tag in Englisch ein Referat halten musste, ich wollte ihn also nicht von den Vorbereitungen abhalten, indem ich ihn bat, sich ums Abendessen zu kümmern. Stattdessen schrieb ich ihm eine SMS, um ihm mitzuteilen, dass ich nach der Arbeit Fish ’n’ Chips mitbringen würde. Für Mum besorgte ich Haggis, nur für den Fall, dass sie auch etwas essen wollte. Ich beeilte mich, mit dem Abendessen nach Hause zu kommen. Ich hatte es in einem Imbiss am Leith Walk gekauft und wollte vermeiden, dass es unterwegs kalt wurde. Kaum war ich zur Tür hereingekommen, lief ich in die Küche, schaltete den Wasserkocher ein und holte Teller aus dem Schrank.
Cole erschien im Türrahmen, und seine hungrigen Augen nahmen sofort die Tüte mit Fish ’n’ Chips ins Visier. »Kann ich was helfen?«
»Sag Mum, ich habe ihr Haggis zum Abendessen besorgt, falls sie Lust hat, ins Wohnzimmer zu kommen und mit uns zu essen.«
Er runzelte unwillig die Stirn, tat aber, worum ich ihn gebeten hatte. Dann setzte er sich vor dem Couchtisch auf den Boden, schaltete eine Comedy-Sendung
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