London Road - Geheime Leidenschaft
startklar.
Ich rief Mum ein paar Worte zum Abschied zu und machte, dass ich wegkam. Ich war immer heilfroh, wenn ich nicht mit ihr zusammen in der Wohnung sein musste. Langsam stieg ich die Treppe hinunter und zog mir währenddessen die Handschuhe an. Auf dem Treppenabsatz zwischen unserem Stockwerk und dem darunter blieb ich stehen, als männliches Gelächter zu mir heraufdrang.
Offenbar stand die Wohnung unter uns seit neuestem nicht mehr leer.
Die Tür war weit geöffnet, und ich sah mit großen Augen zu, wie zwei junge Männer einen Couchtisch die letzten Stufen bis zum Treppenabsatz hochtrugen.
»Du bist mit dem Bein irgendwo angestoßen.« Ein sehr großer dunkelhaariger Typ im Rugby-Shirt grinste seinen Kumpel an, als sie es auf den Treppenabsatz geschafft hatten.
Der andere war ein bisschen kleiner, mit breitem Kreuz und strubbeligen dunklen Haaren, die er teilweise unter einer Beanie-Mütze verborgen hatte. Als er sich umdrehte, um das Grinsen seines Freundes zu erwidern, sah ich sofort, dass es sich bei ihm um einen klassischen Aufreißertypen handelte. Er sah unfassbar gut aus, und sein Lächeln verriet mir, dass er genau wusste, wie er sich diesen Umstand zunutze machen konnte. »Das fällt ihm doch gar nicht auf.«
»Da ist eine Macke im Holz.«
»Na und? Die verleiht dem Teil Charakter.«
Ich ging eine Stufe tiefer, und die Bewegung erregte die Aufmerksamkeit der beiden. Beklommen registrierte ich die offen stehende Wohnungstür. Wir hatten neue Nachbarn bekommen. Neue Nachbarn, die das betrunkene Gejammer meiner Mutter würden ertragen müssen.
Toll.
Der Typ mit dem Beanie grinste anerkennend, als er mich sah, und zog mich mit Blicken aus. Ich schielte kurz zu seinem Freund hinüber und stellte fest, dass auch er mich gründlich und mit einem Lächeln taxierte. Automatisch schaltete ich in den Flirt-Modus. Ich schenkte den beiden ein kleines Lächeln und winkte mit den Fingerspitzen. »Hey.«
Beanie-Boy verlagerte das Gewicht des Couchtischs in seinen Händen und fragte: »Wohnst du hier?«
»Eins höher.«
Er stieß verärgert die Luft aus und schüttelte den Kopf, bevor er seinen Freund vielsagend ansah. »Dass Cam aber auch immer so ein Schwein haben muss.«
Ich erstarrte, als ich den Namen hörte.
»Was braucht ihr denn so lange?«, kam eine tiefe, wohlbekannte Stimme aus der Wohnung.
Mir war bereits die Kinnlade heruntergefallen, als Cam ins Treppenhaus trat, um seine Freunde in Empfang zu nehmen.
»Cam?«, quietschte ich. Das durfte doch nicht wahr sein.
Cam sah mich völlig verdattert an. »Jo?«
»Äh …« Der Große schaute zwischen mir, Cam und Beanie-Boy hin und her. »Der Sack kennt sie schon. So viel Glück muss man haben.«
Ich ignorierte die beiden. Mein Herz hämmerte gegen meine Rippen, und ich durchbohrte Cam regelrecht mit meinen Blicken. Er stand verschlafen und mit verstrubbelten Haaren in einem seiner abgetragenen T-Shirts, Jeans und seinen Engineerboots vor mir. Doch trotz seiner Müdigkeit strahlte er eine Energie aus, der ich mich kaum entziehen konnte. Sobald er einen Raum betrat, spürte man sofort seine Lebendigkeit, seine Kraft. Es gab nur wenige Menschen, die eine derart starke körperliche Präsenz hatten. Braden Carmichael war einer von ihnen. Cameron MacCabe gehörte definitiv auch dazu.
Und er zog in die Wohnung unter mir ein?
Die Vorstellung, dass Cam all meinen Geheimnissen und meiner Schande so nahe sein würde, trug verständlicherweise nicht gerade dazu bei, meinen jagenden Puls zu senken. »Du ziehst hier ein?«
Er schaute nach oben. »Wohnst du etwa hier?«
Mir war, als hätte ich Wackersteine im Bauch. »Ja, über dir.«
»O Mann.« Cam stieß einen Seufzer aus. Offenbar war er darüber genauso unglücklich wie ich. »Tja, die Welt ist klein.«
»Winzig«, murmelte ich. Wie konnte das passieren? Hasste das Universum mich? Es gab so viele Zufälle auf der Welt, hatte es da ausgerechnet dieser völlig unwahrscheinliche und noch dazu total beschissene sein müssen?
»Äh, das Teil hier wird allmählich schwer«, meldete sich der Lange zu Wort und deutete mit dem Kinn auf den Couchtisch.
Wenn ich mir den Umfang seiner Oberarme so ansah, bezweifelte ich, dass er auch nur die geringste Mühe mit dem Tisch hatte.
Cam deutete in die Wohnung. »Schafft ihn rein, Jungs. Danke euch.«
»O nein«, widersprach Beanie-Boy energisch. »Erst stellst du uns deiner Miss Schottland vor.«
Ich spürte, wie meine Wangen angesichts des Kompliments zu
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