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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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der Zeit von Richard Löwenherz hatten viele Adlige nie etwas von einem Wappen gehört. Dann wurden sie rasch beliebt. So ein Wappen war farbenfroh, würdevoll, heroisch, ja sogar romantisch. Wie in allen Bereichen des mittelalterlichen Lebens wurden Schritte unternommen, um die neue Mode angemessen zu regeln. Unter den Herolden wurde das College of Arms zu einer Art riesigen königlichen Gilde, mit Bedingungen zur Mitgliedschaft und einem eigenen Geheimnis – den Regeln und der Kunst der Heraldik. Die Würde, ein Wappen zu tragen, war sehr gefragt. Ein Mann mit einem Wappen, egal, wer er nun eigentlich war, kam sich innerlich wie einer von König Artus' Rittern vor. Er und seine Familie trugen sich in die Wappenbücher ein und gesellten sich dadurch zu den Unsterblichen. Ein Mayor oder ein Alderman aus London war berechtigt, ein Wappen zu führen. Gilbert Bull hatte eines von seinem Vater. Doch Geoffrey Bull?
    »Ihr seid noch ziemlich jung für eine solche Würde«, stellte der Earl Marshai nun fest, wobei er weniger entrüstet als verwundert wirkte. »Aber schließlich seid Ihr ja trotz Eurer jungen Jahre zu einem Amtmann in Eurer Gilde und zu einem Ratsmitglied Eures Bezirkes geworden. Wie habt Ihr dies angestellt?«
    Ducket erläuterte nicht alle seine Aktivitäten mit Whittington, erklärte jedoch, daß er seine geschäftlichen Erfolge der Hochzeit mit Bulls Tochter verdanke. Er gestand auch seine niedere Herkunft. »Wahrscheinlich hätte ich nicht zu Euch kommen sollen«, sagte er.
    »Eure niedere Herkunft spricht zwar gegen Euch«, sagte der Herold, »aber sie ist kein unüberwindbares Hindernis. Die von Euch erreichten Würden interessieren uns mehr. Ersucht Ihr von mir die Erlaubnis, das Wappen der Familie Eurer Frau zu führen, oder wollt Ihr ein eigenes Wappen erhalten?«
    »Ich möchte gerne wieder meinen Familiennamen annehmen, und ich hätte gerne ein Wappen für die Familie Ducket.« Dies war der Kern der Sache. Sobald er dieses Wappen hatte, konnte selbst Bull ihm seinen Namen nicht mehr wegnehmen.
    Der Herold musterte ihn nachdenklich. Er ahnte, welchen Mut es Ducket gekostet hatte, vor ihn zu treten. Der Junge war kein einfacher kleiner Emporkömmling, soweit er dies beurteilen konnte. Eines war ihm jedoch noch unklar. »Verzeiht mir, wenn ich Euch dies frage«, sagte er, »aber wie habt Ihr es geschafft, die Tochter eines reichen Kaufmanns wie Bull zu heiraten?«
    Also erzählte ihm Ducket auch noch diese Geschichte, und schließlich brach der Earl Marshai of England in ein großes Gelächter aus. »Das ist ja die phantastischste Geschichte, die ich seit Jahren gehört habe! Nun, Ratsmitglied Ducket, wir werden sehen, was wir für Euch tun können. Geht nun mit meinem Sekretär, er wird Euch alles erklären.«
    Kurz darauf stand Ducket in einem langen, geschäftigen Raum, in dessen Mitte ein langer Arbeitstisch stand. »Nun werdet Ihr in die wundervollen Geheimnisse der Wappenmalerei eingeweiht werden, Master Ducket«, sagte der Sekretär. »Zuerst muß Euer Wappen eine Hintergrundfarbe erhalten, eine sogenannte ›Tinktur‹.« Er sprach das Wort französisch aus. »Die Haupttinkturen sind blau, was wir azur nennen; grün, was bei uns vert heißt; rot heißt gules; schwarz sohle; violett purpure. Es gibt zwei metallische Färbungen: Gold oder Or, und Silber, Argent. Auch bestimmte Pelze werden bei uns dargestellt, vor allem Hermelin. Den Hintergrund nennen wir Feld oder Schild. Man kann das Feld mit Linien in zwei Hälften oder vier Viertel unterteilen; man kann es auch wie ein Schachbrett mustern oder breite Streifen darübermalen, die wir Balken nennen. Alles andere, was noch hinzugefügt wird, heißt Wappenbild oder Heroldsstück. Man kann ein Kreuz oder Schwerter, Äxte, Pfeile, Hufeisen, Knoten, Harfen haben, aber auch Bäume, Blumen oder Sterne.«
    »Auch Tiere?« fragte Ducket.
    »Natürlich!« Der Beamte strahlte. Er blätterte in riesigen Pergamentseiten. »Hier sind nur ein paar Möglichkeiten.« Es gab Abbildungen von Löwen, Leoparden, Bären, Wölfen, Hirschen, Hasen, Bullen, Schwänen, Adlern, Delphinen, Schlangen. Alle diese Tiere waren in den verschiedensten Haltungen abgebildet: auf den Hinterbeinen aufgerichtet (diese Stellung hieß »steigend«), sitzend, kauernd, sich umdrehend, nur die obere Hälfte, nur der Kopf. Es schien endlose Kombinationen zu geben. Dann zog der Beamte Ducket zu einem weiteren Stapel von Zeichnungen und breitete sie vor ihm aus. »Und hier«, sagte er

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