London
Institution. Zwar hatte er den Ritterschlag nicht erhalten, doch er konnte sich nun als Knight of the Shire bezeichnen.
Zu dieser würdigen Gelegenheit veranstaltete Richard Whittington ein kleines Fest in seinem Haus zu Chaucers Ehren. Auch Bull als beider Freund war dazu geladen. Als Whittington überlegte, wen er noch alles einladen solle, dachte er auch an das schwierige Problem, vor dem sein Freund und einstiger Kollege Geoffrey Ducket momentan stand.
So saß Bull, der davon angenehm überrascht war, neben einer Frau, deren stille, unterschwellige Sinnlichkeit ihm im Verlauf des Abends zunehmend auffiel. Geschmeichelt bemerkte er, daß offenbar auch sie Gefallen an ihm fand.
»Ich glaube, sie ist momentan ungebunden«, murmelte Whittington ihm am Ende des Abends zu. Und zu Ducket bemerkte er am nächsten Morgen lachend: »Und das Beste daran ist, daß sie sicherlich nicht heiraten können.«
Am nächsten Tag wollte jemand Bull dabei gesehen haben, wie er ein Sträußchen Blumen kaufte, und man munkelte erregt, daß diese Blumen wohl für Schwester Olive gedacht waren.
1422
Zu Beginn des neuen Jahrhunderts war man sich in London einig, daß nur wenige Familien vom Schicksal so begünstigt waren wie die Duckets. Sie hatten sieben gesunde Kinder; Ducket vermehrte weiterhin sein beträchtliches Vermögen, und Tiffanys Erbschaft ging sogar noch weit über das hinaus, was sie sich erhofft hatte.
1395 war erst der Erbe von Bocton und dann auch noch sein gramgebeugter Vater gestorben. Das wunderschöne alte Anwesen in Kent war an Gilbert Bull gefallen, den überlebenden Bruder, der dadurch zum reichsten Bull aller Zeiten wurde. Er überließ das Haus auf der Brücke Tiffany und Ducket und kehrte zurück in das Haus seiner Kindheit. Seine Affäre mit Schwester Olive hatte acht Jahre angehalten und sich als eindeutiger Erfolg herausgestellt. Dank ihrer allzeit bereiten Sinnlichkeit verließ ihn sein Wunsch, sich noch einmal dem Joch der Ehe zu unterwerfen, rasch. Er war sehr eingenommen von seinen munteren Enkeln, und sein Familienstolz war einigermaßen besänftigt, als er von einem der Herolde am College of Arms erfuhr, daß die Wappen der Bulls und der Duckets vereint werden konnten, da Ducket sein eigenes Wappen und Tiffany ein Wappen geerbt hatte. Also bewahrte sich Bull zumindest auf dem Wappen seine Unsterblichkeit für die zukünftigen Generationen. Wenn er von seinem Herrenhaus in Bocton über den wunderbaren Weald von Kent blickte, schien ihm sein Alter in ein sanftes Licht getaucht zu sein. Doch bevor er die letzte Ruhe fand, zogen selbst über diese hübsche Landschaft noch einige Schatten.
Trotz der anfänglichen Versprechen fand die Herrschaft Richards II. ein schlimmes Ende. Der König hatte niemals die Fähigkeiten eines Feldherrn gezeigt, wie der Schwarze Prinz sie hatte. Einige seiner Ideen, wie etwa das stattliche neue Dach der Westminsterhalle, wurden bewundert, auch wenn sie ziemlich außergewöhnlich waren; andere, wie seine hemmungslosen Ausgaben für seine Günstlinge, fanden weniger Gefallen. Kurz vor dem Ende des Jahrhunderts war sein Verhalten so unberechenbar geworden, daß der Sohn Johanns von Gent, Heinrich, nach einem erbitterten Streit um seine Erbschaft zu den Waffen griff und den König absetzte.
Heinrich IV aus dem Hause Lancaster, wie dieser Zweig der königlichen Familie hieß, regierte gut. Doch in Bulls Augen hatte der neue König den rechtmäßigen Platz eines anderen eingenommen. »Langfristig gesehen wird es noch viel Ärger geben«, warnte er seine Familie.
Im Jahr 1400 tauchte ein noch dunklerer Schatten auf, die Pest, die im Sommer nach London zurückkehrte. Trotz aller Einwände brachte Bull seine Familie nach Bocton. Erst Ende Oktober, als er dachte, daß es nun wieder sicher sei, wagte er sich mit ihr nach London zurück. Dort stellte sich heraus, daß ihm wieder einmal ein Mensch geraubt worden war, den er geliebt hatte. Chaucer hatte als Alterssitz ein nettes Häuschen in Westminster gefunden, zwischen dem Palast und der Abtei. Er hatte kaum ein Jahr dort gewohnt und an seinen »Canterbury Tales« gearbeitet, als sein Leben verlosch.
»Warum habe ich ihn nicht mit nach Bocton genommen?« fragte sich Bull gramgebeugt. Doch als er zu dem Haus ging, war ihm nicht klar, ob sein Freund überhaupt an der Pest gestorben war. Der Gärtner behauptete dies zwar, doch die Mönche waren anderer Ansicht.
»Aber eines kann ich Euch versichern«, sagte einer der Mönche, »er
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