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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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zurückgekehrt, um zu versuchen, wieder von vorne zu beginnen. Aber wie? Die Geldstrafe hatte fast sein gesamtes Vermögen verschlungen. Seine Frau hatte noch etwas Schmuck. Außerdem war das große Haus da, aber es war sehr schwierig zu verkaufen, solange London immer noch wie eine belagerte Stadt war. Er sah sich nach Geschäften um, an denen er sich beteiligen könnte, aber der Handel war fast zum Erliegen gekommen.
    Eines Tages im März erinnerte er sich zufällig an den Piratenschatz. Der Keller roch modrig, als er mit einer Lampe hinunterstieg. Vor dreißig Jahren hatte er die alte Truhe zuletzt gesehen. Eine Menge von Haushaltsgegenständen war nun davor aufgestapelt, aber sie stand noch da, voller Staub.
    Einen Augenblick lang zögerte er. Was hatte ihm sein Vater vor all den Jahren gesagt? Daß er diese Truhe mit seinem Leben schützen würde, weil er sein Wort gegeben hatte. Aber das war eben dreißig Jahre her. Der Pirat war nie zurückgekehrt. Mittlerweile war es äußerst unwahrscheinlich, daß der Kerl noch am Leben war oder daß es eine Familie gab, die die Truhe zurückfordern könnte. Er fragte sich, was wohl darin sein mochte. Er nahm Hammer und Meißel und machte sich an die Arbeit. Die alten Schlösser waren solide, aber schließlich gelang es ihm, sie aufzubrechen. Langsam hob er den knarzenden Deckel und hielt den Atem an. Die Truhe war zum Bersten voll mit Münzen aller Art – Gold und Silber, englische Shillings, spanische Dublonen, schwere Taler aus den Niederlanden. Viele waren fünfzig oder sechzig Jahre alt, aus den Tagen der spanischen Armada, aber dennoch gutes Gold und Silber. Weiß Gott, was der Schatz wert war. Ein Vermögen! Er war gerettet.
    Von diesem Augenblick an begann die langsame Wiederherstellung Sir Julius Duckets. Er war sehr vorsichtig. Nachdem er das Geld auf zwanzig verschiedene Taschen verteilt hatte, versteckte er jede an einem Ort, wo sie nicht gefunden werden konnte. Er sagte nichts von dem Schatz, nicht einmal zu seinen Kindern, sondern bemerkte nur, er habe noch ein wenig Bargeld gefunden, so daß er in bescheidenem Maß beginnen könne, Waren zu kaufen und zu verkaufen. Die kleinen Gewinne stockte er aus dem Schatz auf, so daß die Familie in Ruhe leben konnte, ohne die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
    Doch er mußte weiterhin vorsichtig sein. Es gab zwar eine Reihe bekannter Royalisten wie ihn in der Stadt, aber ihm war auch bewußt, daß sie beobachtet wurden. Gideon, argwöhnte er, wußte über jeden seiner Schritte Bescheid.
    Aber er war immer noch fähig, die Rundköpfe zu überlisten. Im späten Frühling war es ihm sogar einmal gelungen, sich zu einem besonderen Auftrag aus der Stadt zu stehlen. Er ritt heimlich an den Hof des Königs in Oxford. Zusammen mit zwei weiteren vertrauenswürdigen Männern ritt er eines Morgens, als Rundkopf verkleidet, aus der Stadt – eine Tarnung, die sie über zwanzig Meilen weit beibehielten. Eingenäht in die Kleider der Männer war eine Menge von Goldmünzen, die Julius dem Schatz entnommen hatte. Am folgenden Abend waren sie an den Verteidigungswällen der alten Universitätsstadt, und am nächsten Tag konnte Julius im Christ Church College dem König persönlich das Geld überreichen.
    »Getreuer Sir Julius.« Es war der stolzeste Augenblick seines Lebens, als König Karl I. diese Worte sprach. »Wir zählen Euch zu unseren loyalsten Freunden.«
    »Ich würde freudig für Eure Majestät kämpfen«, erklärte Julius. »Aber ich habe keine Erfahrung mit Waffen.«
    »Wir ziehen es vor, daß Ihr in London bleibt«, erwiderte der König. »Wir brauchen dort treue Freunde, auf die wir uns verlassen können.« Eine halbe Stunde lang schritt der König mit ihm durch den alten Viereckshof des Colleges und fragte nach der Lage der Stadt und ihrer Verteidigung. »Viele der Uns Wohlgesonnenen hätten es gerne, wenn Wir Unser Gewissen kompromittieren«, erklärte der König, »aber das dürfen Wir nicht tun. Wir haben eine heilige Pflicht zu erfüllen.« Seine letzten Worte beim Abschied gingen Julius direkt zu Herzen. »Wir können nicht sagen, wie diese große Sache ausgehen wird. Das liegt in Gottes Hand. Aber sollte Uns etwas zustoßen, Sir Julius, Wir haben zwei Söhne, die Uns nachfolgen können. Können Wir Euch bitten, daß Ihr ihnen die Treue haltet, so wie Uns?«
    »Ihre Majestät braucht nicht zu bitten«, antwortete Julius. »Ihr habt mein Wort.«
    Es gelang Julius nicht mehr, sich ein zweites Mal nach Oxford zu

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