London
heimliche Royalisten es gab. Die Londoner waren nur an sich selbst und ihren Profiten interessiert. Sobald einmal die Bedrohung durch die royalistische Armee nicht mehr existierte, konnten sie es kaum erwarten, die »Heiligen« aufzulösen und sich auch mit Karl I. zu einigen.
Am allerwenigsten konnten die Rundköpfe dem König trauen. Als es Karl – der ständig versuchte, seine Feinde gegeneinander auszuspielen, und alles versprach in der Hoffnung, er könne am Ende wieder genauso regieren wie zuvor – schließlich gelungen war, einen erneuten Aufstand anzufachen, hatten die Rundköpfe genug gehabt. Trotz des Protestgeschreis der Londoner war Fairfax gekommen und hatte seine Truppen in London einquartiert. Die Reichtümer mehrerer Livreegesellschaften wurden eingezogen, um die Truppen zu bezahlen. Und erst vor ein paar Wochen war Colonel Pride mit einer Armeeabteilung nach Westminster gezogen und hatte alle Parlamentsmitglieder hinausgeworfen, die nicht begeistert genug für die große Sache – nämlich England neu aufzubauen – eintraten. Cromwells Armee war nun die einzige wahre Macht im Lande. Diszipliniert und einheitlich, wie sie war, konnte sie ihren Willen durchsetzen. Ein gefangener König, ein schwaches Parlament: Den »Heiligen« fielen die Gelegenheit und die Verantwortung zu, das alte Land nach einem neuen Modell zu formen. Aber wie sollte das neue Modell genau aussehen? Gideon war nicht ganz sicher.
Als der Bürgerkrieg begonnen hatte, war es ihm wie den meisten Rundköpfen klar gewesen: Der König mußte vom Parlament gezügelt werden; die Bischöfe und all ihre Ämter mußten verschwinden. Eine Art presbyterianische Kirche, wenn auch nicht ganz so streng wie die schottische Version, war ihm wünschenswert erschienen. Doch als der Krieg sich hinzog und die Kameradschaft in Cromwells Armee Gideon Auftrieb verlieh, hatte er zusammen mit den anderen »Heiligen« begonnen, eine noch größere Hoffnung zu schöpfen. Eine neue Welt, hier in der alten. Oft hatte er die Briefe gelesen, die er von Martha bekam. Sie hatte ihn mit ihren Berichten aus Massachusetts beflügelt; dort wählten Repräsentanten jeder Gemeinde nicht nur ihre Pastoren, sondern auch ihre Gouverneure und Richter; dort wurden Steuern nur entsprechend einem gemeinsamen Beschluß erhoben, und alle Menschen lebten nach dem strengen Gebot der Bibel.
Manche seiner Kameraden bei den »Heiligen«, Levellers genannt, wollten noch weitergehen; sie wollten jedem Mann eine Wahlstimme geben und sogar das Privateigentum abschaffen. Cromwell war dagegen, und auch Martha, wie aus ihren Briefen hervorging. All diese letzten Jahre war sie ihm wie ein Leuchtturm gewesen, der unverwandt über den Ozean schien; wie sehr wünschte er, sie wäre an seiner Seite. Wieviel sollte er ihr verraten? Mit bangem Gewissen begann er schließlich zu schreiben.
Soweit war es also gekommen. Julius saß allein in feierlicher Wache in seinem getäfelten Zimmer. Am Morgen würden sie König Karl I. hinrichten. Nach der schändlichen Farce einer Verhandlung würden die Rundköpfe ihren gesalbten König umbringen. Wenn Sir Julius Ducket in dieser schrecklichen Nacht überhaupt einen Trost finden konnte, so diesen: Er war königstreu geblieben.
Und er hatte dafür gelitten. Nachdem Gideon ihn verhaftet hatte, fand er sich zusammen mit drei Dutzend anderen prominenten Royalisten unter Bewachung. »Ihr seid Malignants, arglistige Royalisten«, antwortete man ihnen auf ihre Frage, warum sie verhaftet worden seien. In der ersten Woche hatten sie nicht einmal besucht werden dürfen. Als seine Frau endlich die Erlaubnis bekam, ihn zu sehen, erlitt er einen weiteren Schock. Auf seinen Vorschlag, sie und die Kinder sollten nach Bocton gehen, hatte sie geantwortet: »Weißt du das nicht? Die Rundköpfe haben alle Landsitze der Malignants übernommen.«
Wie bedrückend waren diese Zeiten gewesen. Man hatte ihn festgehalten wie einen Verbrecher. Monate waren verstrichen, bis man ihn endlich in die Guildhall gebracht und in einen Raum geführt hatte, wo ein halbes Dutzend Offiziere der Rundköpfe an einem Tisch saß.
»Sir Julius«, erklärten sie ihm. »Ihr könnt freikommen; doch Ihr müßt dafür bezahlen. Zwanzigtausend Pfund.«
»Zwanzigtausend? Ich wäre zugrunde gerichtet«, protestierte er. »Laßt mich im Gefängnis.«
»Wir könnten Euch trotzdem mit einer Geldstrafe belegen«, erklärte einer der Männer.
Und so war Sir Julius Ducket Anfang 1644 traurig nach Hause
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