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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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schönes Leben. Du weißt, wo du mich findest, wenn's Arger gibt.«
    »Gut. Dad, sag Sep, er kann mein ganzes gespartes Geld haben.« Sein Vater nickte. »Wiedersehen, Sam.« Er ging davon, eine lustige Melodie pfeifend.
    Als Mrs. Meredith, vormals Lady St. James, im folgenden Jahr im Kindbett starb, gab es eine vornehme Trauerfeier, die einen ganzen Tag lang dauerte. Ihr Ehemann heiratete zwar wieder, blieb aber weiterhin Vormund des jungen Earl of St. James, eine Verpflichtung, die er getreulich erfüllte und wofür er lediglich eine völlig angemessene Entschädigung nahm. Der junge Earl hing sehr an ihm. Die Leute, die sich noch an den alten Earl erinnerten, bemerkten öfter, daß der Sohn ein weit amüsanterer Kerl war als der Vater.
    Sep Dogget, der eigentlich als Lord Bocton geboren war, wurde als Feuerwehrmann glücklich, und da er nichts von seinem Erbe wußte, vermißte er es nie.
    Den größten Vorteil hatte vielleicht Isaac Fleming, dessen Erfindung ihm Ruhm, Wohlstand und einen schönen Laden mit neuem Schaufenster brachte – wenn auch immer noch in der Fleet Street.

LAVENDELHÜGEL
1819
    ALS DIE KUTSCHE von Dover nach London über die lange gerade Straße des Shooter's Hill kam, mußte sich der junge Mann auf dem Kutschbock zweimal den Staub von der Brille wischen. Er wollte sich nichts entgehen lassen. Gespannt und aufgeregt war der achtzehnjährige Eugene zum erstenmal auf dem Weg nach London. Als sie das Ende des Shooter's Hill erreicht hatten und unter sich die Metropole sahen, spiegelte sein Gesichtsausdruck zuerst Erstaunen und schließlich, als sie den Abhang hinunterfuhren, Entsetzen wider. »Das ist London?« rief er, und der Kutscher lachte.
    Sucht man nach einer Zeit, in der die Zivilisation den Glanz des alten Rom übertraf, müßte man in der englischsprachigen Welt sicherlich die Epoche unter Georg III. nennen. Nominell war es eine lange Regierungszeit, von 1760 bis 1820, die zwei wesentliche Ereignisse umspannte, doch wurde der König, der unter dem erblichen Enzymdefekt Porphyrie, einer schweren Stoffwechselstörung, litt, über lange Zeiträume hinweg für geistig unzurechnungsfähig erklärt.
    Ganz und gar römisch geprägt waren die dreizehn amerikanischen Kolonien, die 1776 ihre Unabhängigkeit von der britischen Kolonie erklärten. Selbst jene Staaten, die anfangs noch eine Zuflucht für religiös Verfolgte waren, hatten sich zu Gesellschaften entwickelt, die den Stadtstaaten der unabhängigen Bauern und Kaufleute, die den Kern der frühen Macht Roms gebildet hatten, ähnlich waren. Der stoische General Washington sah aus wie ein Patrizier, hatte eine Landvilla in Mount Vernon, Tausende Hektar Land und verhielt sich wie ein römischer Adliger. Auch die Väter der Verfassung mit ihrem gewählten Kongreß und dem elitären Senat waren zumeist von der klassischen Antike geprägt. Die meisten der neuen amerikanischen Staaten ahmten die Bräuche der römischen Republik auch mit ihrer massiven Sklavenhaltung nach.
    Der Umbruch durch die französische Revolution ein Dutzend Jahre später orientierte sich offen am Vorbild Roms. Die Revolutionäre nahmen, inspiriert von der Aufklärung als dem Triumph der antiken Vernunft über die mittelalterliche Tyrannei und den Aberglauben der katholischen Monarchie, zahlreiche Attribute des römischen Zeitalters an. Die Untertanen hießen nun »Bürger« wie einst die freien Römer. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit fanden einen neuen Verfechter in Napoleon, der seine Armeen unter römischen Adlern marschieren ließ, Frankreich und einem großen Teil Europas Gesetze nach römischem Recht gab und dessen gefragte Künstler, Möbeltischler und Handwerker den Empirestil, inspiriert vom römischen Imperium, entwickelten.
    Auf der britischen Insel vollzog sich die Renaissance der römischen Welt auf eher pragmatische Weise. Vor der Herrschaft Georgs III. übertrafen die prachtvollen klassizistischen Plätze Londons und die palladianischen Landsitze des Adels sicher jene des römischen Britanniens. Solche Annehmlichkeiten wie öffentliche Bäder und Zentralheizung waren noch nicht wieder eingeführt, doch ein Merkmal der Römerzeit, das viel dazu beitrug, Ordnung in die barbarische Welt zu bringen, kam wieder – im wörtlichen Sinn – an die Oberfläche: das Straßennetz. Zur Römerzeit hatte ein System von Straßen die Insel wie ein Knochengerüst aus Stein durchzogen. Vernachlässigt und überwuchert, waren die meisten dann in Vergessenheit

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