London
gekauft hat, sonst würdet ihr sicher auf dem nächsten Schiff sein.«
Am zweiten Tag nach seiner Rückkehr stellte Cerdic Elfgiva ein Ultimatum, und zwar unter vier Augen; nicht einmal ihre Söhne wußten etwas davon. »Wenn du mir nicht gehorchst, dann nehme ich mir eine andere Frau!«
»Neben mir?«
»Nein, an deiner Stelle.«
Er hatte das Recht dazu. Die Gesetze der Angelsachsen waren sehr einfach, was Frauen betraf. Elfgiva gehörte ihrem Mann. Er hatte für sie bezahlt. Er konnte sich weitere Frauen nehmen, wenn er wollte, und wenn sie ihn betrog, konnte er sie hinauswerfen und den anderen Mann zwingen, ihm eine neue Frau zu beschaffen. Und er konnte sich auch ohne weiteres eine neue Frau nehmen.
»Es liegt an dir«, sagte Cerdic. »Wenn der Bischof kommt, mußt du dich zusammen mit deinen Söhnen taufen lassen. Wenn du dich weigerst, dann werde ich das tun, was ich für richtig halte.«
Für Cerdic war die Sache klar. Als treuer Untertan König Ethelberts war er Christ geworden und hatte sich Anfang des Jahres taufen lassen. Elfgiva als seine Gattin hatte die Pflicht, dasselbe zu tun, wenn er sie dazu aufforderte. Die Tatsache, daß sie sich so lange als Mann und Frau geliebt hatten, ließ ihre Weigerung nur um so illoyaler erscheinen.
Daß die Religion der Christen Vielweiberei und Scheidung untersagte, wußte Cerdic nicht. Die Missionare waren meist nicht nur äußerst furchtlos und tief gläubig, sondern auch klug, und was die alten Sitten betraf, folgten sie gewöhnlich einer einfachen Regel: »Zuerst kommt die Bekehrung, dann kann man anfangen, ihre Sitten zu verändern.«
Das fragliche Mädchen war die Tochter eines seiner Nachbarn, der ein stattliches Anwesen in der Nähe von Bocton besaß. Bei Cerdics Besuch am Vortag meinte der Nachbar zuerst, Cerdic suche eine Frau für einen seiner Söhne. Schließlich vereinbarten die beiden Männer, daß das Mädchen Cerdic heiraten solle, wenn dieser seine Frau verstieße, und wenn er es nicht täte, sollte es den ältesten Sohn heiraten. Das Mädchen war nicht nur sehr hübsch, sondern auch sehr gefügig; es hatte bereits eingewilligt, sich taufen zu lassen.
Und nicht zu vergessen: Es war jung. Spielte sein Alter eine Rolle? Cerdic fühlte sich in Anwesenheit dieser frischen Fünfzehnjährigen auf jeden Fall verjüngt. Fürchtete er etwa insgeheim, seine Kraft zu verlieren? Nein, sagte er sich, das sicher noch lange nicht. Wie dem auch sei, wenn Elfgiva sich wie eine gute Ehefrau verhielt, dann hatte sie nichts zu befürchten. Elfgiva blieb nichts anderes übrig, als sich dieses demütigende Ultimatum schweigend und gesenkten Hauptes anzuhören. Sie fragte nicht einmal, wer denn die andere Frau sei.
Am Tag nach seinem Gespräch mit Elfgiva beschloß Cerdic, sich seine Söhne vorzunehmen. Zwar hatte er es sich schon in den Kopf gesetzt, sie zum Nachgeben zu zwingen, aber er wußte, daß er auch etwas enttäuscht sein würde, wenn sie ihm nicht einen kleinen Widerstand leisten würden. Sie sind junge Stiere, sagte er sich, doch ich bin noch immer der Stärkere. Nun stand er also vor ihnen und erklärte ihnen mit knappen Worten, daß der Bischof demnächst eintreffen werde und was König Ethelbert von ihnen verlangte.
Die vier jungen Männer wirkten ziemlich verunsichert. Der Vater erkannte, daß sie die Sache wohl bereits erörtert hatten, denn nun wandten sich alle dem ältesten zu, einem strammen Burschen, der das Wort ergriff. »Ist es wirklich unsere Pflicht, unsere eigenen Götter dem König zuliebe aufzugeben, Vater?«
»Die Götter des Königs sind auch unsere Götter. Ich bin sein Mann. Der König von Essex hat bereits versprochen, König Ethelbert zu folgen.«
»Das wissen wir. Aber wußtet Ihr, daß die Söhne des Königs von Essex sich weigern, ihrem Vater zu folgen? Sie sagen, dieser Gott hat sich an einen Baum nageln und töten lassen. Sollen wir Thunor und Woden für einen Mann aufgeben, der sich kampflos in sein Schicksal fügte?«
Cerdic wußte bislang noch wenig über die Feinheiten des christlichen Glaubens, doch dieser Punkt hatte ihm auch schon Kopfzerbrechen bereitet. »Der Vater von Christus konnte Fluten schicken und die Meere teilen«, versicherte Cerdic nun seinen Söhnen. »Und der König der Franken hat bemerkenswerte Siege davongetragen, seit er sich zum christlichen Glauben bekennt.« Doch die vier ließen sich dadurch offenbar nicht beeindrucken. »Daran ist eure Mutter schuld«, grummelte der Vater und schickte sie
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