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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Normandie, am Mittelmeer und sogar in Amerika. Von der Arktis bis nach Italien handelten sie mit Fellen, Gold und allem anderen, was ihnen in die Hände fiel. Diese Abenteurer mit ihren durchdringenden blauen Augen, flammenden Bärten, riesigen Schwertern und mächtigen Streitäxten tranken heftig, schworen sich gegenseitig Treueeide und trugen vielsagende Namen wie etwa Ragnar Langhaar oder Schlächter von Tostig dem Stolzen.
    Die Wikinger, die im neunten Jahrhundert über England hinwegfegten, waren überwiegend Dänen. Sie drangen in das ummauerte Handelszentrum London ein und brannten es nieder. Ohne die heldenhaften Kämpfe des Königs Alfred hätten sie die ganze Insel eingenommen. Selbst nach König Alfreds Siegen kontrollierten sie noch immer den größten Teil des englischen Gebietes nördlich der Themse.
    In dem Gebiet, in dem sie sich niederließen, dem sogenannten Danelaw, mußte die englische Bevölkerung nach dänischen Gesetzen leben. Doch dies war nicht so schlimm. Die Dänen waren ein nordisches Volk, ihre Sprache ähnelte dem Angelsächsischen. Sie wurden sogar Christen. Und während im sächsischen Süden die ärmeren Bauern zu Leibeigenen wurden, führten die freiheitsliebenden Dänen ein offenes Leben, in dem die Bauern unabhängig waren und niemandem gehörten. Nachdem Alfreds Nachfolger langsam die Herrschaft über Danelaw zurückerlangt und England vereinigt hatten, pflegten die Leute im Süden schulterzuckend zu sagen: »Mit einem aus dem Norden kann man sich nicht streiten. Dort oben sind sie unabhängig.«
    Doch in der unruhigen Welt des Nordens herrschte selten Frieden, und kurz vor dem Jahr 1000 fielen die Dänen erneut auf der reichen Insel ein. Diesmal hatten sie mehr Glück. Der englische Führer war Alfreds unfähiger Nachfolger Ethelred mit dem Beinamen »der Unberatene«, der ihnen Jahr für Jahr Tribut, das sogenannte Danegeld, zahlte. Er starb 1016, sein Sohn Edmund Ironside wurde von dem dänischen König Knut entscheidend geschlagen, worauf ihm die Angelsachsen die Königskrone anboten.
    Die Herrschaft König Knuts, der kurz nach seiner Thronbesteigung in Dänemark auch die englische Krone übernahm, war lang und fruchtbar. Seine Stärke war gefürchtet, sein bodenständiger Menschenverstand berühmt. Die dänische Familie der Barnikels wurde an seinem Hof ebenso freundlich aufgenommen wie Leofrics Großvater und viele andere Sachsen. Knut herrschte unparteiisch über England und brachte dem Land Einheit, Frieden und Wohlstand. Wenn sein Sohn nicht plötzlich gestorben wäre, kurz nachdem er seine Nachfolge angetreten hatte, und deshalb der englische Witan gezwungen war, den frommen Eduard aus der alten angelsächsischen Linie zu wählen, wäre England vielleicht weiterhin ein angeldänisches Königreich geblieben.
    Nirgends war die Verbindung zwischen der sächsischen und der dänischen Kultur erfolgreicher als in der wachsenden Hafenstadt, die inzwischen London hieß. Aufgrund ihrer Lage an der alten Grenze zwischen dem sächsischen und dem dänischen England war es nur natürlich, daß die zwei Kulturen sich hier verbanden. Obwohl die Versammlung aller Bürger, die dreimal im Jahr von der großen Glocke zum alten Kreuz neben St. Paul's einberufen wurde, noch immer unter dem sächsischen Begriff Folkmoot bekannt war, trug das Gericht, in dem die Stadtväter den Handel und die Geschäfte der Stadt regelten, einen dänischen Namen, Husting. Einige der kleinen Holzkirchen waren sächsischen Heiligen, etwa Ethelburga, geweiht, andere trugen skandinavische Namen wie Magnus oder Olaf. Auf dem Weg nach Westminster lag eine ländliche Gemeinde ehemaliger Wikingersiedler, die St. Clement Danes hieß.
    An diesem kalten Wintermorgen einte Barnikel den Dänen und Leofric den Sachsen ein gemeinsamer Wunsch: Sie wollten einen englischen König.
    Aufgrund seines frommen Namens könnte man annehmen, daß Eduard der Bekenner sehr verehrt wurde. Dies war nicht der Fall. Abgesehen von seinem kleinlichen Charakter war er auch noch ein Fremder. Zwar stammte er aus einem sächsischen Geschlecht, war aber in einem französischen Kloster erzogen worden und hatte eine Französin geheiratet. Die Bürger und Adligen von London hatten sich zwar an die bereits seit längerer Zeit etablierten Gemeinschaften von französischen und deutschen Kaufleuten in der Stadt gewöhnt, jedoch nie Gefallen an den Franzosen gefunden, die sehr zahlreich am Königshof vertreten waren. Man mußte sich nur seine Abtei

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